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Erst die Angst, dann der Ärger Kind beinahe erstickt – Kasse will nichts an Ambulanz zahlen

Atupri verweigert Kostenbeteiligung, weil der Notfall glimpflich abgelaufen sei und spricht dann von «Missverständnis».

Ein 14-jähriges Kind mit Down-Syndrom verschluckt sich an einem Cervelat: Ein grosses Stück bleibt ihm im Hals stecken. Die Eltern finden den Sohn kurz darauf mit glasigen Augen und halb apathisch auf dem WC. Dort versucht er, das Cervelatstück zu erbrechen.

Die Eltern melden sich bei der Notrufnummer 144. Diese ruft eine Ambulanz, welche zehn Minuten später mit zwei Rettungssanitäterinnen vor der Türe steht. Da das Kind das Wurststück nicht erbrechen kann und nicht klar ist, ob noch eine Narkose nötig wird, alarmieren die Sanitäterinnen eine zweite Ambulanz mit einer Anästhesistin und die Rega.

«Wir wussten nicht, was mit unserem Sohn noch passiert»

Kurz wird es dramatisch im beschaulichen Dorf im Emmental. Vor der Haustür der Familie sind zwei Krankenwagen parkiert, in der Wiese vis-à-vis steht ein Rega-Helikopter. «Das war für uns schon ein angespannter Moment, wir wussten nicht, was mit unserem Sohn noch passiert», erinnert sich der Familienvater im SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».

Doch der 14-Jährige hat Glück. Er kann das Cervelatstück doch noch aus dem Hals würgen. Eine Narkose und ein Transport ins Spital sind somit nicht mehr nötig. Alle Beteiligten sind erleichtert.

Kasse will die Rechnung nicht übernehmen

Eine Woche später trifft bei der Familie die Rechnung für die Ambulanz von 850 Franken ein. Der Berner schickt die Rechnung an Atupri weiter, die Krankenkasse seines Sohnes. Die Hälfte der Kosten müsste die Grundversicherung übernehmen, den Rest die Zusatzversicherung. Doch Atupri winkt ab. An den Kosten für die Ambulanz beteilige man sich nicht. Begründung: Es habe schlussendlich gar kein Transport stattgefunden, und die Situation habe sich vor Ort stabilisiert.

Ambulanz: Was zahlt die Krankenkasse?

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Die Grundversicherung übernimmt grundsätzlich nur die Hälfte der Kosten eines Ambulanzeinsatzes. Im Falle eines Transportes sind das maximal 500 Franken pro Jahr.

Bei einer notfallmässigen Rettung in der Schweiz sind es 5000 Franken im Jahr. Dies, wenn der Krankentransport medizinisch begründet war oder es sich um eine Rettungsaktion aus einer Gesundheit und Leben akut bedrohenden Situation handelt. Um die restlichen Kosten eines solchen Einsatzes abzudecken, ist eine Zusatzversicherung nötig.

Die Familie ist verblüfft und irritiert. Im Klartext heisst das: Die Kasse beteiligt sich nicht an den Kosten, weil der Notfall glimpflich abgelaufen ist. «Die Ambulanz wurde ja schliesslich von einer Fachperson der Nummer 144 gerufen», wundert sich der Familienvater. «Ausserdem finde ich es etwas seltsam von der Krankenkasse, zu sagen, es sei ja alles gut herausgekommen, deshalb müssten wir alles selber bezahlen», meint der Berner.

Atupri: «Ein Missverständnis»

Noch während sich «Espresso» mit dem Fall an Atupri wendet, trifft bei der Berner Familie eine zweite Rechnung für den Rega-Einsatz von 2600 Franken ein. Und plötzlich spricht Atupri von einem «Missverständnis».

«Der Patient wurde weder transportiert noch war aus den damals vorgelegenen Unterlagen eine Rettungssituation ersichtlich,» sagt eine Verantwortliche zu «Espresso». Das habe sich nach dem Eintreffen der Rega-Rechnung und nach Vorliegen weiterer Unterlagen geändert. Atupri übernimmt nun die vollen Kosten für beide Einsätze.

Krankenkasse hätte alle nötigen Informationen gehabt

Für den Familienvater klingt das nach einer faulen Ausrede. Dem Formular, das er für Atupri bereits im Juni ausgefüllt hatte, hätte die Kasse alle Details zum Fall entnehmen können. Inklusive Notfalleinsatz der Rega.

Und auch die Experten der Notfallzentrale 144 winken ab: Die Rechnung der Ambulanz ist mit einem eindeutigen Code versehen, welcher unmissverständlich klarmacht: Es handelte sich um einen notfallmässigen Blaulicht-Einsatz, bei dem es um lebenswichtige Körperfunktionen ging.

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