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Erstes Flüchtlingsparlament Nicht über, sondern mit Flüchtlingen politisieren

Rund 75 Menschen, die in der Schweiz Zuflucht suchen, haben in Bern Anliegen formuliert, die sie Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentariern mitgeben.

Die 30-jährige Frau lächelt. Man kann sich vorstellen, wie es für sie war, als sie vor eineinhalb Jahren aus Sri Lanka in die Schweiz geflüchtet ist – eine ganz anders aufgebaute Sprache lernen, dazu ein Trauma verarbeiten, über das sie nicht öffentlich sprechen möchte. Sie konnte sich in der Schweiz psychologisch betreuen lassen. Nun gehe es ihr viel besser, erzählt Jeyani Thiyagaraja, die inzwischen den Ausweis B hat. Die Schweiz hat sie als Flüchtling anerkannt.

Junge Frau mit dunklen Haaren.
Legende: Jeyani Thiyagaraja kam vor eineinhalb Jahren in die Schweiz. SRF/Andrea Jaggi

Ihre Erfahrung will sie nun ins Flüchtlingsparlament einbringen, anderen helfen. So möchte sie Menschen im Asylprozess besser psychisch betreut wissen. Und auch den Familiennachzug möchte die junge Frau mit Bachelor-Abschluss verbessern. Zum Beispiel – denkt sie – sollten auch bereits volljährige Kinder zu den Eltern in die Schweiz kommen dürfen. Denn von den Kindern getrennt leben, schlage auch auf die Psyche.

Erstes Flüchtlingsparlament

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Familienbesuche im Schengen-Raum für Vorläufig Aufgenommene: Das wünschen sich Flüchtlinge in der Schweiz. Das erste Flüchtlingsparlament hat am Sonntag in Bern einen Vorschlag dazu und zu weiteren Themen beschlossen.

Das Flüchtlingsparlament sprach sich auch für einen besseren Zugang zu Bildung aus und dafür, dass Abgewiesene die Lehre abschliessen dürfen, wie die Organisatoren am Abend mitteilten.

Die Teilnehmenden der Session fordern, dass die Sozialhilfe und die Integrations- und Bildungsförderung der Geflüchteten getrennt werden. Die Zuständigkeit für Integration und Bildung solle einer unabhängigen Fachstelle übertragen werden. Zudem befürwortet das Flüchtlingsparlament einen erweiterten Familiennachzug: Kinder sollen ihre Eltern in die Schweiz holen dürfen.

Seit Ende April hatten sich rund 75 Geflüchtete aus 19 Kantonen und 15 Ländern in neun Kommissionen online auf die erste Flüchtlingssession vorbereitet. Am Sonntag fasste das Flüchtlingsparlament nun seine Beschlüsse. Die Stimmen der Geflüchteten wurden von Stände- und Nationalratsmitgliedern angehört, die einige der Vorschläge als Vorstösse ins Parlament bringen wollen. (sda)

Jeyani engagiert sich in der Gesundheitskommission des Flüchtlingsparlaments, das am Sonntag getagt hat. Am Morgen wurden dort aber auch die Vorschläge der anderen Kommissionen besprochen und ergänzt. Mustafa schlägt zum Beispiel vor, die Schweiz solle die Ausbildung in den Herkunftsländern der Geflüchteten besser berücksichtigen. Die Flüchtlinge könnten so auch der Schweiz helfen. «Der Schweiz mangelt es an Lehrkräften, es kommen aber viele erfahrene Lehrkräfte als Flüchtlinge», sagt er. Man könne mit geeigneten Projekten diese Personen ins System integrieren.

Schweizer Parlamentarier als Vermittler

Am Nachmittag im Plenum: Die rund 75 Menschen aus 15 Ländern, wohnhaft in verschiedenen Schweizer Kantonen, beschliessen, welche zehn Vorstösse tatsächlich eingereicht werden sollen im Parlament. Dies werden dann Parlamentarierinnen und Parlamentarier für sie tun.

Der Vorschlag von Mustafa wird, etwas allgemeiner formuliert, in einem Aufruf zur Förderung von Bildung aufgenommen. Das Flüchtlingsparlament verlangt aber auch bessere Sprachkurse für Geflüchtete. Und – wer während seiner Lehre einen negativen Asylentscheid kriegt, soll trotzdem noch den Abschluss machen können. Ein Anliegen, das erst kürzlich im Ständerat gescheitert ist.

Menschen verschiedner Herkunft stimmen ab. Sie halten Stimmzettel in die Luft.
Legende: Die Teilnehmenden stellen nicht nur Forderungen, sie präsentieren auch Vorstellungen darüber, wie sie sich in die Schweizer Gesellschaft mit ihren Fähigkeiten einbringen können. Keystone

Fünf Eidgenössische Parlamentarierinnen und Parlamentarier lassen sich die Forderungen der Geflüchteten präsentieren. Zugeschaltet per Zoom ist der einzige Bürgerliche – Andri Silberschmidt, Nationalrat der FDP Zürich. Es sei gut, dass sich die Flüchtlinge einbrächten, sagt er. Einige Vorschläge dürften es jedoch schwer haben, rasch umgesetzt zu werden. «Allgemeinere Vorstösse – dass man zum Beispiel das Bildungssystem durchlässiger machen soll für Geflüchtete – da kann man sehr gut einen Fokus setzen und schauen, wo es noch konkrete Schwierigkeiten gibt, die man beheben sollte», sagt er.

Aber: Realpolitik braucht Nerven und dauert. Das werden die Vertreterinnen und Vertreter des Flüchtlingsparlamentes noch erfahren. Jeyani Thiyagaraja ist dennoch zuversichtlich. Das Flüchtlingsparlament sei ein Erfolg, sagt sie und kontert ungemein schnell auf den Einwand, dass nicht alles sofort angenommen wird. «Ich bin zuversichtlich für meine Zukunft, für die Zukunft der Flüchtlinge.» Und sie will mithelfen, diese gute Zukunft für Geflüchtete zu schaffen.

Echo der Zeit vom 6.6.2021

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