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Europäische Pläne Wie die Schweiz beim Wasserstoff aufholen will

Die ersten Pipeline-Pläne lassen die Schweiz links liegen. Ein Schweizer Projekt will das ändern – auch mit Staatshilfe.

Algier, Mitte Februar. Robert Habeck stellt sich für ein Instagram-Video auf eine Dachterrasse in Algeriens Hauptstadt und schwärmt: Das nordafrikanische Land könne mit Solarstrom Wasserstoff produzieren. «Algerien hat ideale Bedingungen dafür – und vor allem hat es eine Gaspipeline nach Europa», sagt der deutsche Wirtschaftsminister. «Es gibt ein sehr konkretes Projekt, diese Gaspipelines zu Wasserstoffpipelines umzuwandeln. Diese gehen durchs Mittelmeer, hoch über Italien und kommen quasi um die Alpen herum in Süddeutschland an.»

Um die Alpen herum – aus Schweizer Sicht ist dies das Problem: Die erste Ausbauetappe des europäischen Wasserstoffnetzes soll Italien und Deutschland in einem weiten Bogen über Wien verbinden, an der Schweiz vorbei.

Karte Europa
Legende: Von Italien über Österreich nach Deutschland: Im Plan der europäischen Gasnetzbetreiber für die erste Wasserstoff-Ausbauetappe wird die Schweiz umgangen. (Hinweis: Es handelt sich um eine Original-Karte des European Hydrogen Backbone. Diese enthält einen Fehler: Der Kosovo ist nicht als unabhängiger Staat eingetragen.) European Hydrogen Backbone (EHB)

Das beschäftigt Energieminister Albert Rösti. Eine Anbindung der Schweiz sei wichtig: «Denn wir können selbst nicht viel Wasserstoff produzieren. Wir werden somit den Hauptanteil an Wasserstoff importieren, wenn er dereinst in der Industrie stark genutzt wird.»

Eine Milliarde für den Anschluss

Es gibt einen Plan für einen Schweizer Anschluss. Er kommt von der Firma FluxSwiss, der Betreiberin der Schweizer Erdgas-Transitleitung von Norden nach Süden. Diese will sie zusätzlich für Wasserstoff nutzen.

In der Nordschweiz sei die Leitung doppelt geführt, eine Umrüstung somit einfach, sagt Rudy Van Beurden von FluxSwiss. Aufwändiger werde die Strecke durch die Alpen: «Hier müssen wir eine Parallelleitung durch den bestehenden Stollen bauen.»

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Legende: Seit Jahren wird daran geforscht, wie erneuerbarer Wasserstoff zur indirekten Speicherung von Strom verwendet werden kann – wie hier im österreichischen Auersthal der Firma OMV. REUTERS/Heinz-Peter Bader

Van Beurden sagt erstmals, wie viel die Umrüstung kosten könnte: rund eine Milliarde Franken. «Es geht um eine Zeitspanne von 30, 40 Jahren – dann ist eine Milliarde nicht so viel. Es ist eine Absicherung für die Schweiz.»

Die Milliarde lasse sich auf dem Kapitalmarkt beschaffen. Zusätzlich brauche es aber eine staatliche Absicherung für den Fall, dass sich Wasserstoff langsamer durchsetze als erwartet: «Wir müssen besprechen, wie man das in der Schweiz machen kann. In Deutschland arbeitet man an einer Lösung. Wenn der Markt-Hochlauf nicht ausreicht, wird der Staat dies kompensieren.»

Energieminister Rösti und sein Departement geben sich unverbindlich: Eine Absicherung werde geprüft. Ende Jahr lege der Bundesrat eine Wasserstoff-Strategie vor.

Politische Fragen noch ungeklärt

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Das Bundesamt für Energie (BfE) prüft nach eigenen Angaben zurzeit mehrere mögliche Absicherungslösungen für eine Wasserstoff-Transitleitung durch die Schweiz. Neben dem deutschen Modell einer Marktgarantie steht zum Beispiel auch eine Bundesbürgschaft zur Diskussion. «Wir sind auch mit Italien und Deutschland sowie der EU in Kontakt, um die Transitachse gemeinsam vorwärts zu treiben», sagt Markus Bareit, Projektleiter im BfE.

Finanziellen Garantien zustimmen müsste auch das Parlament. Skeptisch äussert sich hier Maja Riniker. Die FDP-Nationalrätin ist Co-Präsidentin der parlamentarischen Gruppe Wasserstoff – also eigentlich keine Bremserin beim Thema Wasserstoff. Trotzdem sagt sie: «Seitens der Politik könnte es schwierig werden, für eine staatliche Absicherung eine Mehrheit zu finden.» Der Staat müsse sich fragen, was die kritischsten Herausforderungen der Zukunft sein würden. «Ob das eine Gasleitung ist, werden wir breit diskutieren.»

Beim Geld gibt es also Fragezeichen – ebenso beim Tempo: FluxSwiss hat bei der Vereinigung der europäischen Gasnetzbetreiber beantragt, dass die Schweiz doch noch in die erste Ausbauetappe aufgenommen wird. Das sei auch im europäischen Interesse, sagt Van Beurden. Die Leitung über Österreich führe nämlich am wichtigen Bundesland Baden-Württemberg vorbei. Zudem sei der Weg durch die Schweiz kürzer und somit wirtschaftlicher im Betrieb.

Diese Leitung soll im Herbst offiziell bei der EU angemeldet werden. Hier ist der Zug nicht abgefahren.
Autor: Albert Rösti Energieminister

Der Bescheid der europäischen Netzbetreiber steht noch aus. Im nächsten Schritt kommt die EU ins Spiel: Sie könnte die Leitung durch die Schweiz als «Projekt von gemeinsamem Interesse» anerkennen. Das würde Verfahren vereinfachen und Zuschüsse möglich machen.

Hier also wird es politisch. Und hier gibt Bundesrat Rösti dem Projekt Rückendeckung. «Die Leitung soll im Herbst bei der EU angemeldet werden. Hier ist der Zug nicht abgefahren.»

Noch hat die Schweiz den Wasserstoff-Anschluss also nicht verpasst. Spannende Diskussionen stehen an – über Geschwindigkeit, Geld und Garantien.

Echo der Zeit, 25.03.2024, 18 Uhr

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