Überreste von Pflanzenschutzmitteln im Trinkwasser sind ein heiss umstrittenes Thema. Im März hat der Bundesrat dazu eine Interpellation aus dem Parlament beantwortet. Die Frage von Nationalrätin Klopfenstein Broggini lautete: Wie schützt der Bundesrat das Schweizer Wasser vor Pestiziden, welche die Ewigkeitschemikalie TFA enthalten? In einem längeren Text schreibt das zuständige Innendepartement: «Nur die beiden Wirkstoffe Tritosulfuron und Flufenacet werden nachweislich zu TFA abgebaut.» Diese beiden Substanzen seien per Juli 2025 nicht mehr zugelassen.
Doch wer etwas googelt, stösst schnell auf andere Zahlen – von offizieller Seite.
Bafu selbst schreibt von 26 Wirkstoffen
Dänemark zum Beispiel hat eben sechs TFA-haltige Wirkstoffe verboten. Das Bundesamt für Umwelt Bafu schreibt von 26 Pestizid-Wirkstoffen, die sich zu TFA abbauen könnten. Was also stimmt, zwei oder 26?
Von zwei Wirkstoffen zu schreiben, ist eine Verkürzung, die letztendlich auch irreführend wirkt.
Chemisch gebe es klare Hinweise: Alle vom Bafu erwähnten 26 Wirkstoffe könnten sich zu TFA abbauen, sagt Umweltchemiker Martin Scheringer gegenüber SRF Investigativ. Der ETH-Wissenschaftler beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Ewigkeitschemikalien PFAS, zu denen auch TFA gehört.
Diese 26 Substanzen hätten Trifluoressigsäure TFA schon in der Molekülstruktur drin. Ob im Labor nachgewiesen oder nicht: «Das Grundwissen der Chemie sagt, dass in vielen Fällen letztendlich TFA übrig bleiben dürfte», sagt Scheringer.
Von zwei Wirkstoffen zu schreiben, sei deshalb «eine Verkürzung, die letztendlich auch irreführend wirkt», so der Experte für Umweltchemie. Auch die grüne Nationalrätin Klopfenstein Broggini findet die Antwort des Innendepartements auf ihre Interpellation unbefriedigend. Der Bundesrat verkenne das Ausmass der Gefahr, das von TFA ausgehe.
Korrekt oder juristisch spitzfindig?
Zuständig für Trinkwasserqualität in der Schweiz ist das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit BLV. Dieses antwortet im Namen des Innendepartements auf die Anfrage von SRF Investigativ: Die Feststellung des Bafu, wonach sich 26 zugelassene Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe potenziell zu TFA abbauen können, sei «korrekt». Der Bund beobachte die internationale Forschung zu diesen Substanzen «sehr genau».
Aber, so schreibt das BLV, ein möglicher Abbau zu TFA müsse rechtlich nur «dann berücksichtigt werden, wenn dieser experimentell nachgewiesen» worden sei. Deshalb sei auch die Antwort des Bundesrates auf die Interpellation korrekt. Zum Vorwurf der Auslassung und irreführenden Verkürzung äussert sich die Behörde nicht.
Über 220 Pestizide von TFA betroffen
Scheringer nennt diese Haltung «no data, no problem». Solange keine Daten vorliegen, gehe man davon aus, es gebe kein Problem. Doch, sagt der Umweltchemiker: Wer sich auf das zurückziehe, was zweifelsfrei gemessen wurde, sei maximal defensiv unterwegs und ignoriere das grössere Bild.
Die Frage bleibt offen: Ab wann verfälscht das Weglassen von Informationen eine Antwort? Fakt ist: Die 26 Wirkstoffe, die den Abbaustoff TFA in Wasser oder Erde zurücklassen können, kommen heute in über 220 verschiedenen Pflanzenschutzmitteln vor. Auch wenn die zwei erwähnten Substanzen Tritosulfuron und Flufenacet nun aus dem Verkehr gezogen werden: Es verbleiben rund 190 Pflanzenschutzmittel, die sich zu TFA abbauen können.