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«Ewigkeitschemikalien» Wie gefährlich sind PFAS – und gibt es Alternativen?

PFAS steht für eine Gruppe von Tausenden synthetischer Chemikalien, die wegen ihrer fett-, schmutz- und wasserabweisenden Eigenschaften seit Jahrzehnten in vielen Produkten eingesetzt werden. Sie sind in der Umwelt kaum abbaubar, reichern sich in Organismen und im menschlichen Körper an und gelten als «Ewigkeitschemikalien».

Der Nationalrat hat sich nun für eine Deklarationspflicht von Produkten, die PFAS enthalten, ausgesprochen und dafür, dass der Bund nachhaltige Chemikalien stärker fördern soll. Wie gefährlich sind PFAS? Wie wird man sie wieder los und wie könnte man diese Chemikalien ersetzen? Einschätzungen von SRF-Wissenschaftsredaktor Christian von Burg.

Christian von Burg

SRF-Wissenschaftsredaktor

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Der 1972 geborene Journalist arbeitet seit 2017 für die SRF-Wissenschaftsredaktion. Vorher war er Inlandredaktor bei Radio SRF und bei der Zeitung «Der Bund».

Wie gefährlich sind PFAS für unsere Gesundheit?

Es handelt sich um eine Stoffgruppe von mehreren Tausend Chemikalien. Für nicht einmal ein Prozent von ihnen sind die gesundheitlichen Auswirkungen wissenschaftlich genauer untersucht worden. Aber in den untersuchten Fällen hat sich gezeigt: Sie hatten fast immer eine chronische Giftigkeit. Sie wirken nicht akut giftig, reichern sich aber in unserem Körper an. Einige sind krebserregend, andere möglicherweise krebserregend, und die kurzkettige Trifluoressigsäure, die mittlerweile überall im Trinkwasser entdeckt wurde, ist vermutlich fortpflanzungsgefährdend. Kurz: Man will diese Stoffe lieber nicht in sich haben.

Wie bringt man diese Chemikalien wieder aus dem Boden?

Kaum. Man kann zwar akut verseuchte Böden auf Deponien bringen. Man kann auch versuchen, den Boden zu waschen, wobei Sand und Kies übrig bleiben. Aber der eigentliche Boden, der Humus, wird dabei zerstört. Bei grossen Flächen, unter anderem Landwirtschaftsgebieten, wo zum Beispiel PFAS-Pestizide eingesetzt werden, die nach und nach ins Grundwasser gelangen, kann man nicht einfach den Boden auswechseln.

Hände halten Becher mit Deckel und Schrift 'Super Guud'.
Legende: Als Konsument oder Konsumentin wisse man nach wie vor nicht genau, in welchen Produkten PFAS enthalten sind und in welchen nicht, sagt Wissenschaftsredaktor Christian von Burg. Experten zufolge findet man PFAS sehr häufig in Take-away-Verpackungen. KEYSTONE / Christian Beutler

Kann man PFAS ersetzen?

Gemäss der Industrie geht in vielen Bereichen gar nichts mehr ohne PFAS. Stephan Mumenthaler, der Direktor des Wirtschaftsverbands der Chemie- und Pharmabranche Scienceindustries, sagt zum Beispiel, dass PFAS für bestimmte zentrale Technologien unverzichtbar seien, insbesondere im Bereich Medizintechnik, erneuerbare Energien oder beim Brandschutz. PFAS-Experte Martin Scheringer hingegen, Umweltchemiker an der ETH Zürich, entgegnet, es gebe für viele PFAS-Anwendungen mittlerweile seit Längerem Alternativen. Diese seien teils bereits marktreif und verfügbar.

Die Parlamentsdebatte zu PFAS-Chemikalien

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Der Nationalrat hat sich in einer mehrstündigen Debatte mit PFAS befasst, den sogenannten Ewigkeitschemikalien. Dabei ging es unter anderem um die Festlegung der Grenzwerte.

Wie der Ständerat will der Nationalrat, dass dabei verschiedene Faktoren berücksichtigt werden – also auch solche, die der Landwirtschaft entgegenkommen. So sollen insbesondere jene Betriebe finanziell unterstützt werden, deren Produkte – etwa Fleisch – mit PFAS belastet sind.

Weil der Nationalrat bei der Vorlage zu den Ewigkeitschemikalien gewisse Änderungen vorgenommen hat, muss sich der Ständerat nochmals damit befassen.

Ganz knapp hat sich der Nationalrat auch für eine Deklarationspflicht ausgesprochen. Falls auch der Ständerat diese Motion gutheisst, sollten Konsumentinnen und Konsumenten künftig erfahren, in welchen Produkten PFAS drinstecken und in welchen nicht.

Industrie oder Forschung: Wer hat recht?

Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Im Bereich Brennstoffzellen und Batterien gibt es verschiedene interessante Entwicklungen. Oft sind sie aber erst im Labor erprobt und noch nicht reif für die breite Anwendung. In anderen Bereichen – für Kühlschränke, Klimaanlagen oder Wärmepumpen – gibt es bereits bewährte Alternativen. Die Aussage, PFAS seien für viele zentrale Technologien unverzichtbar, ist etwas gar pauschal.

Kuh auf Weide
Legende: Jahrzehntelang gelangten PFAS via Klärschlamm auf Wiesen und Äcker. Über die Pflanzen gelangen sie in den Körper von Nutztieren und auch ins Fleisch. Keystone/Gian Ehrenzeller

Warum bremst die Industrie?

Aus verschiedenen Gründen: Es ist aufwendig, neue Stoffe zu suchen, die ähnlich wasserabweisend, feuerfest oder fettabweisend sind – geschweige denn in Kombination. Man muss also investieren. Zumindest zu Beginn ergeben sich dadurch klare Mehrkosten. Dennoch darf der Aufwand nicht gescheut werden, nach Alternativen zu suchen. Denn wer will schon diese Stoffe in sich haben? Bis heute wissen Konsumentinnen und Konsumenten nicht einmal, in welchen Produkten wie viele Ewigkeitschemikalien stecken. Die Industrie wird wohl noch in einigen Punkten umdenken müssen.

Rendez-vous, 09.09.2025, 12:30 Uhr ; 

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