Dass Doris Leuthard schon ab Mai Verwaltungsrätin beim Detailhandelsriesen Coop sowie beim Fleischverarbeiter Bell werden soll, sorgt für teilweise kritische Reaktionen.
Die NZZ etwa sieht den Schritt nicht per se als problematisch an: Es sei absolut natürlich, dass ehemalige Bundesräte ihr Wissen in die Privatwirtschaft einbringen würden. Allerdings brauche es eine vernünftige Wartefrist. «Allein aus Verantwortungsbewusstsein und Respekt gegenüber dem Regierungsamt ist eine angemessene Abkühlungsphase nach dem Ende der politischen Karriere notwendig», findet die NZZ.
Droht ein Interessenskonflikt?
Ähnlich sehen das auch die Tamedia-Titel («Tages-Anzeiger», «Der Bund» u.a.): Es drohe ein Interessenskonflikt, weil sowohl Coop als auch Bell auf eine funktionierende Infrastruktur in Energie und Verkehr angewiesen seien. Das aber seien genau jene Bereiche, welchen Leuthard als Bundesrätin vorstand. Coop und Bell könnten hier durch Leuthards gute Vernetzung zum Nachteil der Konkurrenz profitieren, schreiben die Tamedia-Titel.
Daneben gibt es auch positive Reaktionen. So schreibt die «Handelszeitung» etwa, dass Coop ein Coup gelungen sei. Denn auch die Migros sei sehr an der Alt-Bundesrätin interessiert gewesen. Leuthard sei wegen ihres Wissens und ihrer Vernetzung auf dem Schweizer Arbeitsmarkt aktuell die wohl begehrteste Persönlichkeit. Die Handelszeitung sieht in Leuthard die zukünftige Verwaltungsratspräsidentin von Coop.
Verständnis und Kritik aus der Politik
Wie im Blätterwald sind die Reaktionen auch bei den Politikern unterschiedlich. So betont FDP-Ständerat Andrea Caroni gegenüber dem «Blick», die Bundesräte sollten ihre enorme Erfahrung durchaus zurück in Wirtschaft und Gesellschaft tragen können. Für ihn ist klar, dass keine Anstandsfrist eingehalten werden muss und es somit keine gesetzliche Regelung brauche – sofern kein Interessenkonflikt bestehe.
Etwas anders sieht dies Alt-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (SP). Sie äusserte auf Twitter ihren Unmut über Leuthards raschen Wechsel und schreibt: «Coop-Swisscom-Präsident Loosli und ehemalige Uvek-Chefin Doris Leuthard als Coop-Verwaltungsrätin. Klare Interessensvermischung. Es braucht eine gesetzliche Cooling-down-Phase für Ex-Bundesräte.»
Sie spielt dabei auf die Tatsache an, dass Hansueli Loosli sowohl Coop- als auch Swisscom-Verwaltungsratspräsident ist, und Leuthard nun Coop-Verwaltungsrätin werden soll. Loosli galt während Leuthards Zeit als Bundesrätin als ihr engster Verbündeter in der Privatwirtschaft. Auch der «Tages-Anzeiger» spekuliert, es sei wahrscheinlich, dass Loosli dafür gesorgt habe, dass Leuthard zu Coop komme. Die «Handelszeitung» ihrerseits spekuliert ebenfalls: Die beiden würden schon lange gemeinsam Brötchen backen.
Leuthard selber mit wenig Bedenken
Doris Leuthard selber erklärte gegenüber dem Online-Portal Nau.ch , dass sie sich bewusst sei, dass ihr rascher Wechsel für Kritik sorge. «Ideal wären wohl vier bis sechs Monate Auszeit», sagte sie. Nun sind es jedoch nur drei bis vier Monate. Leuthard begründet dies mit der Tatsache, dass die Generalversammlungen der Unternehmen, an denen die Verwaltungsratsmitglieder gewählt werden, «leider» im Frühling stattfänden, und nicht im Herbst.