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Ex-Mafiajäger zu Missbrauch «Das Berufsgeheimnis für Geistliche muss begrenzt werden»

Die Schweigepflicht soll nur für die Beichte gelten, findet Ex-Mafiajäger Paolo Bernasconi zu den zahlreichen Missbräuchen in der römisch-katholischen Kirche.

Der 80-jährige Tessiner Anwalt Paolo Bernasconi nimmt kein Blatt vor den Mund. Jüngst klagte er die sexuellen Missbräuche im Umfeld der römisch-katholischen Kirche an. Im SRF-«Tagesgespräch» fordert er das Parlament auf, das Berufsgeheimnis für Geistliche zu begrenzen. Es solle nur für die Beichte gelten.

Bernasconi ermittelte in seiner Zeit als Tessiner Staatsanwalt in den 1980er-Jahren gegen Kirchenmitarbeiter wegen Pädophilie. Es habe ihn irritiert, dass diese Mitarbeiter einfach nach Übersee versetzt wurden, ohne die dortige Bevölkerung über die Hintergründe des Personalwechsels zu informieren.

Paolo Bernasconi.
Legende: Paolo Bernasconi bei der Lancierung des Abstimmungskampfes zur Initiative «Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen» am 25. März 2014 in Bern. Die Vorlage für ein lebenslanges gezieltes Arbeitsverbot für verurteilte Pädokriminelle wurde am 18. Mai 2014 von der Mehrheit der Stände und mit 63.5 Prozent der Volksstimmen angenommen. Keystone/Gian Ehrenzeller

Wie die Zürcher Studie über Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche, die Mitte September publiziert wurde, konstatiert Bernasconi, dass in der Südschweiz das systematische Schweigen über den Missbrauch innerhalb der Kirche besonders stark ist. Ganz grundsätzlich könnte die Begrenzung des Berufsgeheimnisses dieses Schweigen aufbrechen, in der ganzen Schweiz, sagt Bernasconi.

Kampf gegen organisierte Kriminalität als Leitfaden

Der streitbare Anwalt hat sich während seiner Zeit als Tessiner Staatsanwalt auch als Mafiajäger einen Namen gemacht. Er stellt seinem Heimatkanton ein gutes Zeugnis aus im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Im Tessin schauen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise genau hin, wer warum Konkurs anmeldet.

Auch die kantonale Politik beschäftigt sich immer wieder mit der organisierten Kriminalität. So fordert derzeit ein Vorstoss einen Pool von kantonalen Fachleuten. Im Gegensatz zum Tessiner Staatsrat, der das unnötig findet, wäre das laut Bernasconi genau der richtige Ansatz.

Gefahr « Kryptowährungen»

Bernasconi begrüsst die neuen Vorschläge des Bundesrates in Sachen Geldwäscherei. Zentraler Baustein auch dieses Vorschlages ist die Begrenzung des Anwaltsgeheimnisses. Niemand dürfe sich hinter dem Berufsgeheimnis verstecken.  

Leider aber sei die Geldlobby im Parlament stark und dieses werde immer noch auf Druck von aussen aktiv. Der Handlungsbedarf sei dringend und riesig, so Bernasconi. Die Kryptowährungen seien eine immense Bedrohung im Kampf gegen die organisierte Kriminalität.   

Mehr Empathie im Umgang mit Flüchtlingen

Der parteilose Bernasconi setzt sich als Anwalt seit Jahren für die Rechte von Flüchtlingen ein. Er kritisiert, dass mancherorts in den Verwaltungen diese Menschen zu wenig Mitgefühl erführen.

Der Tessiner betont, wie wichtig die Arbeit der Zivilgesellschaft ist, jenseits der Politik. Er hat unter anderem das Filmfestival für Menschenrechte in Lugano gegründet. Dort werden derzeit rund 2000 Schüler und Schülerinnen für die Notwendigkeit der Menschenrechte sensibilisiert. Auch in Diskussionsrunden mit Beschäftigten des Roten Kreuzes. Die Jugend brauche Identifikationsfiguren, sagt der 80-Jährige. 

Tagesgespräch, 19.10.2023, 13:00 Uhr

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