Zum Inhalt springen

Fall Kümmertshausen Freisprüche für ehemalige Thurgauer Staatsanwälte

  • Eine ehemalige Thurgauer Staatsanwältin und ein früherer Staatsanwalt sind vom Bezirksgericht Frauenfeld freigesprochen worden.
  • Ihnen war Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung vorgeworfen worden.
  • In seinem noch nicht rechtskräftigen Entscheid sprach das Bezirksgericht Frauenfeld die früheren Staatsanwälte von den Vorwürfen frei.

Vor einer Woche standen zwei ehemalige Thurgauer Staatsanwälte in Frauenfeld vor Gericht. Sie sollen im Fall Kümmertshausen, dem grössten Strafprozess, den es im Kanton Thurgau je gab, Verfahrensfehler gemacht haben. Die beiden Staatsanwälte hatten bis 2015 das Verfahren zum Tötungsdelikt geleitet.

Der Fall Kümmertshausen

Box aufklappen Box zuklappen

Der Fall Kümmertshausen ist der grösste Strafprozess, den es im Thurgau je gab. Es ging um ein Tötungsdelikt, um Menschenhandel, Bandenkriminalität und vieles mehr. Insgesamt standen 14 Personen vor Gericht. Sechs Jahre lang wurde prozessiert. Der letzte Prozesstag war vor gut zwei Monaten. Wegen Verfahrensfehlern gab es immer wieder Verzögerungen.

Dabei sollen die Staatsanwälte einen Satz in einer Befragung nicht protokolliert haben. Weiter wurde ihnen vorgeworfen, eine Vernehmung sei durchgeführt worden, obwohl sie gewusst hätten, dass ein früherer Pflichtverteidiger wieder eingesetzt war. Weiter seien bei einer Telefonüberwachung Personen abgehört worden, für die keine Genehmigung vorlag. Die Protokolle wurden danach zu den Akten genommen. Den beiden Staatsanwälten wurde Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung vorgeworfen.

Allenfalls Verfahrensfehler

In der Urteilseröffnung stellte der vorsitzende Richter fest, es habe sich allenfalls um Verfahrensfehler gehandelt. Die Schwelle der Urkundenfälschung im Amt sei nicht erreicht worden. Bei der Befragung mit dem falschen Pflichtverteidiger sei kein Druck auf den Beschuldigten ausgeübt worden und es sei diesem auch kein Nachteil zugefügt worden.

Rathaus Kreuzlingen
Legende: Der Thurgauer «Monsterprozess» im Rathaus in Kreuzlingen. Am 20. Feburar 2017: 14 Männer stehen vor Gericht, verhandelt wird mehrere Wochen. Keystone/Ennio Leanza

Zum Umfang der Telefonüberwachung habe es sich widersprechende Entscheide des Bezirksgerichts Kreuzlingen und des Obergerichts gegeben. Zudem sei unklar, wann die Protokolle zu den Akten genommen worden seien. Weil die Rechtslage derart unsicher gewesen sei, könne es sich allenfalls noch um einen Verfahrensfehler handeln.

Fehler können passieren

Das Gericht ist somit zum Schluss gekommen, dass auch einem Staatsanwalt Fehler passieren können, insbesondere bei einem Fall wie Kümmertshausen. Man habe beiden Anwälten nicht nachweisen können, dass sie diese Fehler willentlich begangen hätten und könne sie darum auch nicht dafür belangen.

Der ausserordentliche Staatsanwalt, der in diesem Fall nun eingesetzt worden war, hatte für beide Angeklagten eine bedingte Geldstrafe gefordert.

2015 wurden die ehemalige Staatsanwältin und der Oberstaatsanwalt wegen der Vorwürfe vom Bundesgericht abgesetzt. Der betroffene Oberstaatsanwalt ist heute leitender Staatsanwalt im Kanton Schaffhausen, die Frau arbeitet nicht mehr als Staatsanwältin.

Ende 2010: Ein Mann wird tot in seinem Haus gefunden

Box aufklappen Box zuklappen

Am Anfang des grössten und aufwendigsten Straffalls, der im Kanton Thurgau je behandelt worden ist, stand ein Leichenfund. Ende November 2010 wurde ein 53-jähriger Mann tot in seinem Haus im Weiler Löwenhaus in Kümmertshausen im Kanton Thurgau aufgefunden.

Er war von zwei Männern überfallen, geknebelt und gefesselt worden. Schliesslich erstickte er. Seinen Hund hatten die beiden Angreifer mit Tränengas ausser Gefecht gesetzt.

Die Untersuchungsbehörden fanden heraus, dass das Opfer in die Machenschaften einer kriminellen Bande geraten war, die Menschenschmuggel und Drogenhandel betrieb. Ein Auftragsmord wurde nie nachgewiesen.

2017 standen schliesslich 14 Männer in Kreuzlingen vor dem Gericht. Sie waren wegen verschiedenster Delikte angeklagt. Sämtliche Verfahren wurden in einem einzigen zusammengefasst: dem Fall Kümmertshausen. Am Ende waren da 500 Ordner mit Untersuchungsakten, 30 verschiedenen Anklagepunkten und über 1200 Seiten in einem ersten Urteil mit zwölf Verurteilten.

Der Bandenboss wurde zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Hinsichtlich der Tötung wurde er aber freigesprochen. Ein Kronzeuge war der Einzige, der in diesem Zusammenhang verurteilt wurde. Er zog seine Verurteilung allerdings weiter und wurde vom Vorwurf der Tötung Ende Dezember 2022 freigesprochen.

Die Staatsanwältin und der Staatsanwalt, die jetzt freigesprochen worden sind, hatten das Verfahren bis 2015 geleitet. Die Vorwürfe gegen sie stammen aus jener Zeit. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann ans Obergericht weitergezogen werden.

SRF 4 News, 17.05.2023, 10:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel