«Eine solche Eskalation haben wir in Luzern nach einem Fussballmatch noch nie erlebt.» Die Worte des Luzerner Polizeisprechers Urs Wigger zu den Ausschreitungen nach dem Super-League-Spiel zwischen dem FC Luzern und dem FC St. Gallen waren deutlich.
Tatsächlich: Die Ausschreitungen rund um den Bahnhof Luzern waren massiv. Anhänger des FC St. Gallen haben gemäss der «Luzerner Zeitung» sowohl Polizeikräfte als auch Passanten mit Petarden, Handlichtfackeln, Flaschen und Steinen beworfen. Die Polizei setzte daraufhin Gummischrot, Tränengas und Wasserwerfer ein. Sieben Personen wurden verletzt; vier Personen aus dem St. Galler Fanlager, zwei Polizisten und eine Passantin. Alain Brechbühl, Projektverantwortlicher der Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen, ordnet ein.
SRF News: Wieso kommt es zu solchen Ausschreitungen wie am vergangenen Wochenende in Luzern?
Alain Brechbühl: Das ist schwierig zu sagen. Offensichtlich suchen Individuen aktiv die Konfrontation. Wir verfügen leider über keine umfassenden Daten zu den Motiven dieser gewaltsuchenden Personen, denn der Zugang ist sehr schwierig.
Welche Massnahmen müssten ergriffen werden, damit sich solche Bilder nicht wiederholen?
Man muss betonen: Jede Ausschreitung muss in ihrem Kontext betrachtet werden und erfordert spezifische Lösungen. Es ist zum Beispiel ein Unterschied, ob Fans untereinander die Konfrontation suchen oder ob dies mit der Polizei geschieht. Wichtig ist sicherlich, dass man den Dialog sucht mit den Personen und auf Prävention, beispielsweise im Rahmen der Fanarbeit, setzt.
Also keine harten Repressalien wie Stadionverbote für die Fankurve oder personalisierte Tickets?
Davon rate ich ab. Es gibt mehrere Punkte, die hier problematisch sind. Lässt man niemanden mehr in den Gästefan-Sektor, verliert man den Kontakt zur problematischen Gruppe. Die Frustration steigt und somit das Gewaltpotenzial.
Individuelle Massnahmen, etwa Fernhaltemassnahmen gegen gewalttätige Personen, sind wichtig und wirksam.
Ausserdem findet die Gewalt ja nicht in den Stadien, sondern im öffentlichen Raum statt. Frontenbildungen wie am Samstag in Luzern würden nicht unwahrscheinlicher, sondern eben wahrscheinlicher. Es wäre kontraproduktiv, denn die Fans, welche die gewalttätige Konfrontation suchen, reisen trotzdem an. Hingegen sind individuelle Massnahmen, etwa Fernhaltemassnahmen gegen gewalttätige Personen, wichtig und wirksam.
Und die personalisierten Tickets?
Auch das würde wohl nicht wirklich helfen, vor allem deshalb, weil es eine kollektive Strafe wäre. Die Frustration bei den Fans, die eigentlich nicht mitmachen wollen bei Ausschreitungen, würde sich erhöhen. Und auch hier gilt: Die Gewaltausbrüche geschehen vor allem im öffentlichen Raum. Zumal auch rechtliche Punkte offen sind, denn es ist fraglich, ob persönliche Daten gespeichert werden dürfen. So verpufft auch diese Massnahme.
Jede Ausschreitung ist ein Einzelfall. Was ist in Luzern besonders?
Zunächst einmal die geografische Lage des Stadions, es liegt sehr nahe an der Innenstadt, was die Gefahr für den öffentlichen Raum erhöht. Zudem ist die Route der Gästefans dorthin sehr problematisch, denn sie führt direkt am FCL-Fanlokal vorbei. Das ist in Luzern der Kern des Problems. Das konnte man auch am Samstagabend beobachten, als Anhänger des FC St. Gallen – zwischen den Ostschweizern und den Zentralschweizern herrscht in der Fanszene übrigens eine grosse Rivalität – das Gebäude passierten. Die Provokation ist dann vorprogrammiert – und die Gewalt nicht mehr weit weg.
Das Gespräch führte Pascal Studer.