In der Politik sei es wie in einer Waschmaschine, sagt Petra Gössi. Sie steige kurz hinein, werde im Wasser kurz geschüttelt und komme wieder heraus.
Für Gössi beginnt es eigentlich ruhig: 2016 übernimmt die noch relativ unbekannte Schwyzer Nationalrätin, Juristin und Unternehmensberaterin die FDP – die Partei ist nach den Wahlen 2015 im Aufwind. Gössi führt die Partei anders als ihr Vorgänger Philipp Müller, sie ist zurückhaltender in Ton und Auftritt – auch inhaltlich prägt sie die politischen Geschäfte weniger.
Es gibt Kritik, sie führe zu wenig – sie ziehe lieber die Fäden im Hintergrund, sagt sie. Das gelingt ihr bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, doch dann gibts zwei empfindliche Niederlagen: zuerst bei der Rentenreform und dann auch bei der Unternehmenssteuerreform.
Gössi verlässt sich auf Instinkt
Gössi verlässt sich auf ihr Bauchgefühl, auf ihren politischen Instinkt. Und der deutet auf ein Thema hin, das die FDP bis jetzt fast komplett ignoriert hat – die Umwelt, das Klima. Gössi ist viel unterwegs, in den Kantonen, bei der Basis. Dort stellt sie fest, dass das Klima-Thema bei den Wählern ständig auftaucht, auch an Tagen, bei welchen über ein anderes Thema debattiert wurde.
Sie hat das mit unglaublicher Konsequenz und viel Mut gemacht. Das bewundere ich an ihr.
Nachdem im Dezember 2018 im Parlament die FDP entscheidend zum Absturz des CO2-Gesetzes beiträgt, kommentiert der Satiriker Michael Elsener in seiner Fernsehshow bissig, dass FDP für «Fuck The Planet» stehen würde. Bald tauchen erste solche Plakate an den immer grösser werdenden Demonstrationen der Klimajugend auf.
Riskanter Schritt
Im Februar 2019 zieht Petra Gössi die Notbremse, kündigt einen Kurswechsel an – hin zu mehr Umweltschutz, lanciert eine Basisbefragung, überrumpelt die eigene Fraktion und das ein halbes Jahr vor den nationalen Wahlen.
Jetzt spinnt sie, sagen die einen, ein plumpes Wahlkampfmanöver sagen andere – aber Gössi bleibt hart. Gössi geht damit ein Risiko ein, wie sie selbst sagt, zurücktreten zu müssen.
Doch das Gegenteil passiert: Die Basisbefragung und dann auch die Delegierten stützen Gössis Kurs. Einen thematischen U-Turn gegen alle Widerstände auch innerhalb der Fraktion durchzuziehen – wie sie das gemacht hat, dafür zollen ihr Politikerinnen und Politiker von links bis rechts Respekt. Beispielsweise CVP-Chef Gerhard Pfister: «Sie hat das mit unglaublicher Konsequenz und viel Mut gemacht. Das bewundere ich an ihr.»
Bei Gössis Nagelprobe – den Wahlen letzten Herbst – verliert die FDP. Aber das tun auch fast alle anderen, ausser den Grünen und den Grünliberalen. Ihre internen Kritiker sind heute weitgehend verstummt – etwa der Berner Nationalrat und damalige FDP-Vizepräsident Christian Wasserfallen – der zwar die FDP in Umweltfragen immer noch auf dem Holzweg sieht, Gössi aber nicht mehr öffentlich kritisiert. Dafür reden andere – die Grüne Nationalrätin Regula Rytz zum Beispiel. Sie begrüsst den neuen umweltpolitischen Kurs der FDP, sagt aber: «Ich nehme Petra Gössi in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik nur wenig wahr.»
Basisbefragung geplant
Laut Gössi gebe es in der Zukunft wahnsinnig viel zu tun – gerade jetzt: Die FDP plane eine Enkelstrategie, um Arbeitsplätze und die Sozialwerke für die Nachkommen zu sichern.
Dazu will sie in den nächsten Monaten erneut eine Basisbefragung durchführen. Es bleibt unruhig, aber Petra Gössi hat bewiesen, dass sie schwimmen kann.