«Ich kann mir keinen abwechslungsreicheren Beruf vorstellen», sagt Samuel Lavater und ergänzt: «Man ist draussen, man redet mit den Leuten, man ist in Kontakt. Man hat Bewegung.» Sein vorheriger Beruf auf der Bank habe ihn nicht mehr erfüllt.
Ich kann mir keinen abwechslungsreicheren Beruf vorstellen.
Während einer längeren Reise durch Südamerika sei der Wunsch gereift, die Ausbildung bei der Basler Polizei anzutreten: «Ich möchte, dass man in Basel sicher nach Hause kommen kann», betont er.
Lavater ist im zweiten Ausbildungsjahr und bis jetzt überaus motiviert. Sein Arbeitsalltag bestehe je rund zur Hälfte aus Polizeidienst auf der Strasse und Theorie-Schulungen. «An meinem Entscheid habe ich bis jetzt noch nie gezweifelt.»
Ehemaliger Polizist: «Ich habe mir gesagt: Das will ich nicht mehr»
Ganz anders klingt es bei einem ehemaligen Basler Polizisten. Gegenüber SRF erzählt er anonym von seinen Erfahrungen. Nach 14 Jahren im Dienst sei er ausgebrannt gewesen. «Ich habe Schlafstörungen bekommen und bin zunehmend dünnhäutig geworden.» Weiter setzten ihm hartnäckige Erkältungen zu. «Mit 20 steckt man das noch weg, aber irgendwann kippt es.»
Ich habe Schlafstörungen bekommen und bin zunehmend dünnhäutig geworden.
Der strenge und pausenlose Arbeitsalltag im chronisch unterbesetzten Basler Korps habe ihn krank gemacht. «Ich habe gemerkt, es geht nicht mehr», sagt der 35-Jährige rückblickend.
Ich bin in meinen besten Jahren. Wenn es mir jetzt schon Probleme bereiten würde, wäre das nicht gut.
Anders Polizeischüler «Sämi», wie ihn alle nennen. Der 28-Jährige hat sich bewusst für eine Ausbildung bei der Basler Polizei entschieden. Gerade, weil in der Stadt viel läuft. «Ich glaube, ich bin in meinen besten Jahren. Wenn es mir jetzt schon Probleme bereiten würde, wäre das nicht gut.»
Aber er könne durchaus verstehen, dass es ab einem gewissen Alter anstrengender wird. «Die Last der Schichtarbeit, dann am Samstag noch einen Einsatz an einer Demo; ab einem gewissen Alter macht das sicher mehr zu schaffen.»
Dann arbeiten, wenn die anderen festen, demonstrieren oder fanen
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Bild 1 von 6. In Basel ist der 1. Mai ein offizieller Feiertag. Wer bei der Polizei arbeitet, steht dann aber oft im Einsatz. Bildquelle: KEYSTONE/Georgios Kefalas.
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Bild 2 von 6. Wenn eine Räumung ansteht oder ein Verbrechen passiert, steht die Polizei im Einsatz – egal, wie früh oder spät es ist. Bild: Räumung der Universität Basel von propalästinensischen Aktivistinnen und Aktivisten. Bildquelle: KEYSTONE/Georgios Kefalas.
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Bild 3 von 6. Während sich die einen freudig ins Fussballstadion begeben, müssen die anderen am Wochenende die Fans in Schach halten. Bildquelle: KEYSTONE/Samuel Truempy.
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Bild 4 von 6. Als «Freund und Helfer» wird die Polizei längst nicht immer aufgefasst, wenn sie wie hier im Oktober 2023 ein Demonstrationsverbot durchsetzen will. Bildquelle: KEYSTONE/Georgios Kefalas.
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Bild 5 von 6. Manchmal kann der Einsatz auch gefährlich sein. 2004 starb ein Basler Polizist beim Versuch, eine Person vor den Schüssen eines Amokläufers zu retten. Bildquelle: KEYSTONE/Markus Stuecklin.
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Bild 6 von 6. An der Basler Fasnacht werden auch Polizistinnen und Polizisten häufig mit «Räppli gstopft». Bildquelle: KEYSTONE/Georgios Kefalas.
Die negativen Schlagzeilen rund um die Basler Polizei hat Lavater natürlich mitbekommen. Die Unterbesetzung und die schlechte Stimmung im Korps sind längst nicht die einzigen Schwierigkeiten. So hat ein externer Bericht gezeigt, dass es in der Polizeileitung «problematisches Führungsverhalten» gibt, weiter Vorfälle von Rassismus und Sexismus.
Trotz allem ist Samuel Lavater überzeugt, dass die Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten jeden Tag einen guten Job machen.
Die Generation der Babyboomer wird bald pensioniert. Dann wird es zu einem Kulturwandel kommen. Da bin ich ganz sicher.
Und: Ein Wandel ist möglich, glaubt Samuel Lavater, gerade auch mit neuen, jüngeren Leuten im Korps. «Die Generation der Babyboomer wird bald pensioniert. Dann wird es zu einem Kulturwandel kommen. Da bin ich ganz sicher.» Es liege auch an der jüngeren Generation, die Zukunft zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen.
Dieser Zuversicht steht die Tatsache gegenüber, dass die Basler Polizei in einer Spirale des Unterbestands steckt. Per Oktober 2024 fehlten 105 Leute – wäre das Korps voll besetzt, wären es 735 Beamte in Uniform.
Je mehr Polizisten gehen, desto grösser wird die Last. Ausserdem haben in den letzten Jahren Extra-Einsätze enorm zugenommen, weil es in Basel mehr Demonstrationen gibt.
Kommt dazu: Auf die Basler Polizei wartet ein äusserst anspruchsvolles Jahr. 2025 finden in Basel der Eurovision Song Contest und wichtige Spiele der Fussball-Europameisterschaft der Frauen statt. Beide Anlässe erfordern ein grosses Sicherheitsdispositiv.
Du wirst beleidigt, bespuckt oder gefilmt – und alles wird sofort ins Netz gestellt.
Die Konsequenz: Viele Beamte kehren der Basler Polizei den Rücken – so auch der Mann, der SRF anonym von seiner Geschichte erzählt. Es sei ihm zu viel geworden, mit bis zu 100 Überstunden pro Jahr. Dazu komme, dass der Respekt vor der Polizei – besonders in der Stadt – gesunken sei. «Du wirst beleidigt, bespuckt oder gefilmt – und alles wird sofort ins Netz gestellt. Das gehört unterdessen zum Tagesgeschäft.»
Mir wurde klar, der Polizeiberuf ist ein Beziehungskiller.
Zudem bleibe kaum Zeit für Erholung. Dabei wäre das wichtig, gerade weil man im Dienst auch belastende Erlebnisse hat. Wenig Erholung, viel Stress, unschöne Erlebnisse im Dienst – der Stress begleite viele Polizistinnen und Polizisten auch mit nach Hause. Für Beziehungen sei das eine Belastungsprobe. «Polizisten, die 20 Jahre an der Front waren, haben alle einen Scherbenhaufen zu Hause.» Er habe das bei vielen Kolleginnen und Kollegen mitbekommen. «Mir wurde klar, der Polizeiberuf ist ein Beziehungskiller.»
Es hat die Konsequenz daraus gezogen – und hat beim Basler Korps gekündigt. Polizist ist er aber geblieben, das mache er weiterhin gern. Unterdessen aber in einem kleineren, ländlichen Korps. Dort sei die Arbeit deutlich angenehmer.
Basler Polizei verspricht Verbesserung
Die Basler Polizei kommentiert keine Einzelfälle. Mediensprecher Rooven Brucker sagt aber: «Fakt ist, im Schichtbetrieb zu arbeiten, ist eine Herausforderung. Das ist beim Polizeiberuf in einer Stadt aber unerlässlich.»
Hinzu komme die Zusatzbelastungen durch den Unterbestand. «Das ist ein Problem und wir sind daran, das zu verbessern.»
So sollen Basler Polizistinnen und Polizisten künftig zum Beispiel mehr verdienen. Und die Basler Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann greift seit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts durch: Sie wechselt einen grossen Teil der Polizeiführung aus. Trotzdem: Die Tatsache bleibt, dass in den letzten Monaten weiterhin mehr Leute der Basler Polizei den Rücken gekehrt haben, als neue dazugekommen sind.