Eines der Tiermedikamente, die derzeit nicht lieferbar sind, ist das Medikament Naquadem. Es wird bei Kühen für die Behandlung von Ödemen am Euter eingesetzt. Cédric Wernli ist Apotheker in Basel und spezialisiert auf die Eigenherstellung von Medikamenten. Naquadem könnte er in seiner Apotheke eigentlich selber herstellen: «Es ist eine Kombination aus zwei Wirkstoffen, zu denen wir Zugang hätten.»
Aber die Tierarzneimittelverordnung verbietet es. Bei Medikamenten für Nutztiere ist die Regulierung besonders strikt – weil Nutztiere Nahrungsmittel liefern, wie Fleisch, Milch oder Eier. So soll sichergestellt werden, dass keine Medikamentenrückstände in den Produkten bleiben.
Hoffnung auf Lockerung
Gemäss Apotheker Cédric Wernli ist die Gesetzgebung jedoch unnötig streng: «Wenn die Mengen und die Zusammensetzung der Wirkstoffe bei der Eigenherstellung identisch sind zum zugelassenen Medikament, kann man davon ausgehen, dass auch die Aufnahme und die Ausscheidung vergleichbar sind.» Er hofft daher auf eine Lockerung der Regulierung. So könnten Apotheken mit der Eigenherstellung eines Medikaments etwa für jenen Zeitraum einspringen, in dem das Original nicht lieferbar ist. In der Humanmedizin wurde diese Möglichkeit bereits geschaffen.
Das zuständige Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV schreibt auf Anfrage, dass derzeit verschiedene Lösungsansätze analysiert würden. Auch Optimierungsmöglichkeiten im Bereich der Eigenherstellung von Medikamenten sollen geprüft werden. Dazu müsse jedoch die Tierarzneimittelverordnung geändert werden. Cédric Wernli befürchtet, dass der jetzige Lieferengpass bereits wieder vorbei ist, wenn die Regulierung angepasst wird. «Im Humanbereich gab es rasch eine Zwischenumsetzung. Das wünsche ich mir auch für die Tiermedizin: Dass das BLV prüft, wie der jetzige Engpass behoben werden kann.»
Auch die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte GST würde es begrüssen, wenn die Regulierung im Bereich der Eigenherstellung von Medikamenten gelockert würde. «Die Herstellung von Medikamenten in Apotheken ist ein wichtiges Puzzleteil, um die Verfügbarkeit zu verbessern», sagt Patrizia Andina, die bei der GST für den Bereich Tierarzneimittel verantwortlich ist. Das allein löse die Probleme rund um den Tiermedikamentenmangel jedoch nicht, es brauche weitere Massnahmen. Die Problematik habe sich in den letzten 15 Jahren zugespitzt. Auch der Haustierbereich sei betroffen. So würden regelmässig ganz normale Impfstoffe für Katzen und Hunde fehlen.
Produktion in der EU
Gemäss Patrizia Andina wäre es wichtig, die Produktion von Wirkstoffen wieder näher an die Schweiz, etwa in die EU, zu bringen. «Man müsste auch die Zulassungen in der Schweiz vereinfachen, damit die Firmen in der EU ein Interesse haben, in der Schweiz Präparate auf den Markt zu bringen.» Auch eine Meldestelle für fehlende Tierarzneimittel wäre gemäss Patrizia Andina hilfreich.
Die Problematik um den Medikamentenmangel in der Tiermedizin ist erkannt und der Bund prüft entsprechende Massnahmen. Die Frage ist, wie rasch diese umgesetzt werden.