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Wegen Medikamentenmangel Tierärzte dürften künftig wieder mehr Antibiotika einsetzen

  • Nach rückläufigem Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin in den letzten zehn Jahren dürfte sich dieser Trend nun wieder ändern.
  • Grund dafür ist der Medikamentenmangel in der Tier- und Humanmedizin.

In der Schweizer Tiermedizin werden immer weniger Antibiotika eingesetzt. Heute sind es halb so viele wie noch vor zehn Jahren. Auch der Bund förderte den Rückgang beim Einsatz von Antibiotika.

Doch der derzeitige Medikamentenmangel, den auch die Veterinärmedizin stark spürt, könnte diesen Trend wieder umkehren. Weil gewisse Arzneimittel fehlen, könnten Tierärztinnen und Tierärzte bald gezwungen sein, Tiere künftig wieder vermehrt mit Antibiotika behandeln zu müssen.

Antibiotikaeinsatz kann Resistenzbildung begünstigen

Dies wäre ganz generell eine schlechte Entwicklung, wie Doris Schneeberger vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen sagt: «Je mehr Antibiotika verbraucht werden, desto mehr können Bakterien auch Resistenzen bilden, sodass die Antibiotika ihre Wirkung verlieren.»

Darum sind Antibiotikaresistenzen für den Menschen problematisch

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Seit Jahren versucht man, den Einsatz von Antibiotika insbesondere in der Tiermedizin zu reduzieren. Je häufiger Antibiotika eingesetzt werden, desto eher werden Bakterien dagegen resistent. Und das kann gravierende Folgen für die medizinische Versorgung haben, wie SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel erklärt.

Menschen seien «noch in den 1930er-Jahren womöglich an einer einfachen Lungen- und Rippenfellentzündung gestorben, weil es damals Antibiotika schlicht noch nicht für jedermann gab», sagt Zöfel. Auch Blutvergiftungen oder Cholerainfektionen endeten damals oft mit dem Tod.

Heute seien solche Erkrankungen dank Antibiotika nur noch ganz selten tödlich. Doch mit jedem bakteriellen Krankheitserreger, der resistent wird, komme die heutige Medizin dem Zustand von damals wieder ein Stück näher: «An sich einfache bakterielle Entzündungen werden tödlich und man hat, wenn es ganz schlimm kommt, wirklich nichts mehr dagegen in der Hand.»

Das Problem der Antibiotikaresistenzen zeichne sich schon länger ab, erklärt Zöfel. Doch der Entwicklung neuer Antibiotika stünden wirtschaftliche, aber auch biologische Gründe im Weg. «Es gibt eben nicht unendlich viele Möglichkeiten, Bakterien zu vergiften. Und nichts anderes sind Antibiotika – Gift für Bakterien.»

Damit sie im Menschen verwendet werden können, dürfen Antibiotika für ihn nicht auch giftig sein. Biologische Ansatzpunkte zu finden, sei nicht so leicht. Und jene, die leicht zu finden seien, kenne man längst, so die SRF-Wissenschaftsredaktorin.

Problematisch wäre aber insbesondere, wenn in der Tiermedizin wieder vermehrt sogenannte kritische Antibiotika eingesetzt werden müssten, weil diese eigentlich für den Einsatz beim Menschen vorgesehen sind. In den letzten zehn Jahren sind insgesamt fünfmal weniger davon eingesetzt worden.

Antibiotika aus kritischen Antibiotikaklassen sind teilweise die einzigen, die bei einer Krankheit noch wirken.
Autor: Doris Schneeberger Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen

«Kritische Antibiotikaklassen sind Wirkstoffe mit höchster Priorität für die Humanmedizin», sagt Schneeberger. Diese Arten von Antibiotika seien teilweise die einzigen verbliebenen, die bei einer Krankheit noch wirkten.

Einsatz kritischer Antibiotikaklassen bereits Thema

In der Tiermedizin könnte deren Einsatz jedoch bereits zum Thema werden, wenn für die Behandlung einzelner Tiergruppen die für sie vorgesehenen Standardantibiotika ausgehen. Laut Schneeberger kann man dies bereits jetzt schon beobachten.

In der Geflügelhaltung sind Standardantibiotika eine Mangelware.
Autor: Doris Schneeberger Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen

«Gerade in der Geflügelhaltung sind diese Standardmedikamente Mangelware.» Fehlen dort die Standardprodukte, müssten womöglich wieder verstärkt kritische Antibiotika verwendet werden. Dabei sei man eigentlich seit Jahren bemüht, den Einsatz von Antibiotika in der Tiermedizin zu reduzieren.

Tierhaltung bei Antibiotikareduktion wichtig

Ein entscheidender Faktor bei der Reduktion des Antibiotikaeinsatzes sei eine tiergerechte Haltung. «Wichtig ist vor allem die Vorbeugung von Krankheiten durch optimales Management und gute Haltungsbedingungen wie beispielsweise gute Hygiene», sagt Schneeberger. Je gesünder Tiere seien, desto weniger Antibiotika oder auch grundsätzlich Medikamente seien nötig.

Je gesünder Tiere sind, desto weniger Antibiotika oder Medikamente sind nötig.
Autor: Doris Schneeberger Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen

Die Reduktion beim Einsatz von Antibiotika ist entscheidend im Kampf gegen resistente Bakterien. Wie lange der Medikamentenmangel noch dauert, lässt sich derzeit nicht abschätzen – weder für die Veterinär- noch für die Humanmedizin.

HeuteMorgen, 03.08.2023, 06:00 Uhr

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