Zum Inhalt springen

Fertig Teufelsaustreibung Das Bistum Chur streicht die Exorzisten-Stelle

Bischof Bonnemain lässt im Bistum Chur keine grossen Exorzismen mehr durchführen. Es gebe andere Mittel, sagt er.

Im Februar 2020 starb in Chur Christoph Casetti im Alter von 76 Jahren. Mit Hilfe eines Kruzifixes, Weihwasser und einem Gebetbuch hat er jahrelang vermeintlich besessene Personen von bösen Geistern, Dämonen oder gar dem Teufel befreit.

Seit heute ist klar: Christoph Casetti ist vorläufig der letzte Exorzist, der im Bistum Chur tätig war. Der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain kann zwar aus religiösen Gründen nicht ausschliessen, dass Dämonen oder der Teufel auch in Graubünden ihr Unwesen treiben. Die durch den Tod Casettis freigewordene Exorzisten-Stelle wird er aber nicht mehr neu besetzen.

Normale Lösungen werden bevorzugt

Bonnemain ist nicht nur Theologe, er ist auch Arzt. Für ihn ist klar: Der Umgang mit angeblich besessenen Personen muss sich ändern. «Für die meisten Probleme müssen wir keine aussergewöhnlichen Ursachen suchen.» Wir alle seien Menschen mit Stärken und Schwächen, die es im Leben ab und an schwer hätten. «Wer mit schwierigen sozialen, beruflichen oder gesundheitlichen Situationen konfrontiert ist, für den gibt es normale Lösungen.» Für ihn bedeutet das: medizinische, psychologische oder psychotherapeutische Hilfe.

Grosser oder kleiner Exorzismus?

Box aufklappen Box zuklappen

Die katholische Kirche unterscheidet zwischen dem kleinen und dem grossen Exorzismus.

Beim kleinen Exorzismus beten Betroffene das «Vaterunser» – und dort insbesondere die Worte «und erlöse uns von dem Bösen».

Beim grossen Exorzismus werden die bösen Geister direkt angesprochen. Wichtigste Utensilien im Kampf gegen das Böse sind dann das Kruzifix, ein Gebetbuch und Weihwasser. Der Exorzist muss allerdings erst abklären, ob die betroffene Person ein psychisches Problem hat – auch mit Hilfe von medizinischen Experten. Auch der Bischof muss einen grossen Exorzismus in jedem Fall absegnen.

Für das Bistum Chur ist das eine neue Sicht. Noch vor fünf Jahren bezeichnete der Religions-Experte Georg Schmid das Bistum Chur im SRF-Informationsmagazin Rundschau als «Exorzismus-Mekka». Es gebe Menschen aus Deutschland, die in ihren eigenen Bistümern keinen Exorzismus erhielten und deshalb nach Chur kämen, um sich dort exorzieren zu lassen. «Man könnte sagen, das Bistum Chur ist das Eldorado vom Exorzismus im deutschen Sprachraum, ein Hotspot der exorzistischen Tätigkeit, geradezu ein Pilgerort für Leute, die Exorzismen suchen», sagte Schmid damals im Fernsehen.

Heute hat sich am bischöflichen Hof in Chur viel geändert. Von Papst Franziskus hat der neue Bischof Joseph Maria Bonnemain den Auftrag erhalten, das Bistum vom jahrzehntelangen Richtungsstreit zwischen erzkonservativen und moderaten Katholiken zu erlösen. Der Verzicht auf künftige Exorzismen sei dabei ein Schritt auf dem Weg hin zur Normalisierung, sagt Bonnemain im Interview mit dem Regionaljournal Graubünden.

Jesus am Kreuz
Legende: Das Bistum Chur will keine grossen Exorzismen mehr praktizieren. Keystone/Arno Balzarini

Der Bischof selbst sei in seiner 45-jährigen Karriere in der katholischen Kirche nie mit einer Person konfrontiert worden, bei der ein grosser Exorzismus nötig gewesen sei: «In den meisten Fällen haben die Leute einfach seelische oder psychische Belastungen. Sie brauchen dann Unterstützung, Gebete, einen Segen oder geeignete Gottesdienste. Aber nicht unbedingt einen grossen Exorzismus.»

Weiterhin Hilfe für Personen in seelischer Not

Das Bistum Chur soll also nicht mehr speziell attraktiv sein für Personen, die einen Exorzismus suchen. Aber: Gläubige in seelischer Not sollen sich auch weiterhin an Priester im Bistum Chur wenden können. Diese spendeten Trost, sollen die Betroffenen, falls nötig, aber auch an medizinisches Fachpersonal verweisen.

Damit rückt das Bistum Chur näher zum Bistum St. Gallen. Dort ist Exorzismus schon länger kein Thema mehr. In Basel, im dritten mehrheitlich deutschsprachigen Bistum, beraten zwei vom Bischof bestimmte Geistliche im so genannten «Befreiungsdienst» betroffene Personen. Der eine, der emeritierte Weihbischof Martin Gächter sagt auf Anfrage, er habe in 30 Jahren erst einen grossen Exorzismus durchgeführt. Seit man im Bistum Chur nicht mehr so schnell an einen Exorzismus komme, hätten die Anfragen bei ihm aber zugenommen.

Regionaljournal Graubünden, 24.11.2022, 17.30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel