Es ist kurz nach 6 Uhr an jenem Samstagmorgen, dem 27. November 2004. Die Feuerwehr rückt aus, um drei brennende Autos in einer Tiefgarage in Gretzenbach SO zu löschen. Es ist ein Routineeinsatz. Kurze Zeit später hat die Feuerwehr den Brand unter Kontrolle.
Doch plötzlich, innert Sekunden, stürzt die tonnenschwere Betondecke herab und begräbt zehn Männer unter sich.
Drei Feuerwehrmänner können gerettet werden, sieben sterben unter den Trümmern. Das Ereignis geht als das grösste Feuerwehrunglück der Schweiz in die Geschichte ein.
Schweizweit grosse Betroffenheit
Die getöteten Feuerwehrleute sind zwischen 27 und 42 Jahre alt. Vier von ihnen sind verheiratet, drei hinterlassen Kinder. Das Unglück löst schweizweit grosse Betroffenheit aus.
Grosse Betroffenheit nach Feuerwehrunglück
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Bild 1 von 6. Schulkinder zünden drei Tage nach dem Unglück Kerzen an. Für die Trauernden wird in der Nähe der Unglücksstelle eine provisorische Gedenkstätte eingerichtet. Bildquelle: Keystone/Steffen Schmidt.
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Bild 2 von 6. Der Nationalrat eröffnet die Wintersession am 29. November 2004 in Bern mit einer Schweigeminute für die Opfer des Feuerwehrunglücks. Bildquelle: Keystone/Lukas Lehmann.
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Bild 3 von 6. An der Trauerfeier am 4. Dezember 2004 nehmen rund tausend Feuerwehrangehörige teil. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 4 von 6. Einer der überlebenden Feuerwehrleute wird auf einer Trage transportiert, damit er an der Gedenkfeier teilnehmen kann. Bildquelle: Keystone/Steffen Schmidt.
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Bild 5 von 6. Die engsten Angehörigen finden in der Katholischen Kirche in Schönenwerd Platz. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 6 von 6. Die Gedenkfeier findet in einer Industriehalle in Schönenwerd statt. Der Ton wird aus der Katholischen Kirche übertragen. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
Diese Trauer hält bis heute an. Auch wenn es schon zwanzig Jahre her ist, kommen die Bilder und Emotionen beim damaligen Feuerwehrkommandanten Markus Gugger sofort wieder hoch, wenn er am Unglücksort steht.
Es war wie ein Lift, der keine Bremsen hat.
«Wir hatten den Brand im Griff. Dann geschah es, von einer Sekunde auf die andere», erinnert er sich. «Die Decke krachte herunter, wie ein Lift, der keine Bremsen hat.»
Rettungsaktion nach Deckeneinsturz
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Bild 1 von 4. Um die vermissten Feuerwehrleute zu bergen, sind zig Feuerwehren und andere Rettungstruppen im Einsatz. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 2 von 4. Die Bergung der Verschütteten unter den tonnenschweren Betonplatten gestaltet sich enorm schwierig. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 3 von 4. Drei Feuerwehrleute konnten lebend geborgen werden. Danach schwindet die Hoffnung von Stunde zu Stunde, dass auch die anderen sieben Männer überlebt haben. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
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Bild 4 von 4. Es ist bereits dunkel, als die ersten Leichen aus den Trümmern geborgen werden. Sieben Männer verlieren an diesem Tag ihr Leben. Bildquelle: Keystone/Urs Flüeler.
«Es war schrecklich, doch in diesem Moment haben wir alle einfach funktioniert», erzählt Gugger weiter. «Wir haben alles getan, um unseren Kameraden zu helfen und das Ereignis zu bewältigen.»
Gericht spricht die Verantwortlichen frei
Was für Markus Gugger und viele andere Betroffene schwierig war: Die Schuldigen wurden zwar gefunden, verurteilt wurden sie jedoch nicht.
Zwar anerkannte das Solothurner Obergericht, dass die Bauherren wussten, dass es Risse in der Tiefgaragendecke gab und zu viel Erde auf der Decke lag, sie hätten jedoch nicht gewusst, dass eine Einsturzgefahr bestanden habe.
Es hätte unsere Kameraden nicht zurückgebracht, aber ein Stück Gerechtigkeit.
Das Urteil hat für Markus Gugger bis heute einen bitteren Nachgeschmack. «Die Schuldigen wurden zwar gefunden und dennoch wurde niemand schuldig gesprochen», kritisiert er. «Ein Schuldspruch hätte unsere Kameraden nicht zurückgebracht, aber wenigstens ein Stück Gerechtigkeit.»
Verstorbene Feuerwehrleute gehen nicht vergessen
Jedes Jahr am 27. November treffen sich Feuerwehrleute und Angehörige im Feuerwehrmagazin in Schönenwerd. Mit dabei ist auch der heutige Kommandant Alain Lack, der selbst beim Unglück nicht dabei war.
«Ich erlebe diesen Gedenktag als etwas sehr Schönes und Herzliches», sagt er. «Alle spazieren mit Fackeln vom Magazin zum Unglücksort und gedenken den Verstorbenen. Dann gehen wir zurück ins Magazin und reden bei einer Tasse Kaffee.»
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Bild 1 von 2. Vor dem Feuerwehrmagazin in Gretzenbach steht ein Denkmal, dass an die verstorbenen Kameraden erinnert. Bildquelle: SRF/Wilma Hahn.
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Bild 2 von 2. Auch im Magazin selbst erinnern Fotos an die Opfer des Feuerwehrunglücks. Bildquelle: SRF/Wilma Hahn.
Der damalige Kommandant Markus Gugger hat das Unglück inzwischen teilweise verarbeitet – er könne wieder ein mehr oder weniger normales Leben führen. Das hat viel Zeit gebraucht: «Im ersten Jahr habe ich einfach nur funktioniert und konnte keinen Moment lang Ruhe finden. Erst nach dem Gerichtsprozess war das Erlebte nicht mehr omnipräsent.»
Heute könne er das Unglück gedanklich in einer Schublade verstauen. «Manchmal mache ich sie auf und lasse die Erinnerungen und Emotionen zu», so Gugger. «Heute kann ich diese Schublade auch wieder schliessen. Doch vergessen kann ich das Erlebte nicht, genauso wie auch die verlorenen Kameraden nie vergessen sein werden.»