Der Blick der Fluglotsin Marianne Bless klebt an den Bildschirmen vor ihr. Der grösste in der Mitte erinnert mit seinem anthrazitfarbenen Hintergrund an eine Landkarte im Nachtmodus. Feine, leuchtend grüne Striche bewegen sich. Überall Kürzel und Zahlen – es sieht aus wie ein Rätsel.
Nicht aber für Bless. Die Fluglotsin, die seit 2001 bei Skyguide arbeitet, kann vom Radarbild viele Informationen ablesen. Sie fährt mit dem Mauszeiger über einen Strich – ein Flugzeug – und sagt: «Der hier kommt aus Dubrovnik und fliegt nach Bristol. Der dahinter fliegt von Tivat nach London Gatwick.»
An diesem Mittwochvormittag im Juni herrscht im Kontrollzentrum Dübendorf eine ruhige Stimmung. Gemeinsam mit Kollegen ist Bless gerade für den Topsektor zuständig, die oberste Schicht des Schweizer Luftraums, den die Flugsicherung überwacht.
Über ihrem kurzen Haar trägt Bless ein Headset. Immer wieder spricht sie ins Mikrofon und gibt den Pilotinnen und Piloten per Funk Anweisungen – zu Flughöhe, Geschwindigkeit und Route: «November 353 Lima Delta identified, proceed direct to Odina.»
Am Anfang war sie nervös
Auf Bless' Radarbild sind 7 Flugzeuge zu sehen. Zu Spitzenzeiten können es auch 25 sein, die sie gleichzeitig im Auge behalten muss, damit kein Flugzeug einem anderen zu nahe kommt. Als Fluglotsin muss sie jedes Flugzeug in ihrem Sektor sicher und effizient von A nach B bringen, bis die Kollegin oder der Kollege vom nächsten Sektor übernimmt.
Es ist ein anspruchsvoller Job, der höchste Konzentration erfordert. Dies trainieren Lotsinnen und Lotsen in der Ausbildung mit Simulationen, sagt Bless. «Da wächst du rein.» Vor ihrem Ersteinsatz sei aber auch sie nervös gewesen.
Ich kann voll und ganz auf meine Fähigkeiten und Erfahrung vertrauen.
Als Fluglotsin ist Marianne Bless für die Sicherheit der Flieger verantwortlich und dadurch auch für diejenige der Passagiere und der Crews. Wie geht sie damit um? «Der Druck ist nicht omnipräsent», sagt Bless.
Bei Skyguide hätten sie super Teams und gute Systeme, die sie bei der Arbeit unterstützen. Und: «Ich kann voll und ganz auf meine Fähigkeiten und Erfahrung vertrauen und so mit dem Druck umgehen.»
Ruhe – auch bei Gewittern
Ausserdem würden sie an den Sektoren jeweils zu zweit arbeiten. Es gilt ein Vieraugenprinzip. «Das entlastet sehr», sagt Marianne Bless. Es könne ja sein, dass man im ersten Moment einmal etwas nicht sehe. Dann weise die Kollegin oder der Kollege einen darauf hin.
Marianne Bless schaut einem im Gespräch in die Augen. Bevor sie antwortet, überlegt sie manchmal kurz. Dadurch strahlt sie eine Ruhe aus.
Bei Gewittern ist nichts mehr Standard.
Diese behalte sie auch, wenn es einmal hektisch werde, sagt sie. Wenn zum Beispiel Gewitter aufziehen – eine der grössten Herausforderungen in ihrem Arbeitsalltag. «Dann ist nichts mehr Standard.» Denn Pilotinnen und Piloten würden nicht durch Gewitterwolken fliegen.
Dirigentin am Himmel
Während bei schönem Wetter alle Flieger auf ihren Routen bleiben, braucht es bei Gewittern ständig Anpassungen. Für die Person vor dem Radar ein grosser Mehraufwand.
Trotz aller Anstrengung und Verantwortung sagt Bless: «Ich habe einen super Job!» Weil er spannend sei und abwechslungsreich. Und wie viele Menschen können schon von sich behaupten, Flugzeuge durch den Himmel zu dirigieren?