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Forschung Horizon Europe London ist wieder bei Horizon – und die Schweiz jetzt ganz allein

Die Wiederaufnahme der Briten im EU-Programm isoliert die Schweiz noch mehr. Die Wissenschaft ist zunehmend beunruhigt.

Grossbritannien ist wieder Teil des grössten Forschungs- und Innovationsprogramms der Welt: Horizon. Brüssel erwartet, dass London umgerechnet 2.6 Milliarden Franken pro Jahr beisteuert, um an Horizon Europe und am Satellitenprogramm Copernicus teilzunehmen.

Wir schauen mit Hochachtung auf diesen Verhandlungserfolg.
Autor: Michael Schaepmann Rektor, Unversität Zürich

Es gibt Leute in der Schweiz, die freuen sich richtig über den britischen Erfolg. Etwa Michael Hengartner, Präsident des ETH-Rates: «Das ist eine gute Nachricht für die britische und die kontinentaleuropäische Wissenschaft. Es ist gut für Europa.»

Auch Michael Schaepmann, Rektor der Universität Zürich, gratuliert den Briten und würdigt deren Verhandlungserfolg. Er kennt die Einigung im Detail, denn er hat die Verhandlungen über seine Kontakte zu britischen Universitäten eng verfolgt. London habe exzellent verhandelt, sagt er. Die britische Regierung habe die Teilnahme in kürzester Zeit und zu sehr vorteilhaften Bedingungen ausgehandelt.

Obwohl der Beitritt erst auf den 1. Januar 2024 erfolgt, können sich die Forschenden bereits vorbereiten und loslegen.
Autor: Michael Schaepmann Rektor, Universität Zürich

Als Erfolg bezeichnet Schaepmann auch, dass die Regierung in London die britischen Forscherinnen bereits heute dazu aufgerufen hat, Vorschläge einzureichen. Obwohl der Beitritt der britischen Universitäten erst auf den 1. Januar 2024 erfolge, könnten sie sich bereits vorbereiten und loslegen.

Und die Schweiz?

Eigentlich beschlossen auch die Schweiz und Grossbritannien bereits vor Monaten, die bilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit zu intensivieren, weil beide keinen vollen Zugang zu den EU-Programmen hatten.

So gross die Freude über die Einigung der Briten mit der EU ist – Schaepmann befürchtet negative Konsequenzen für die Schweiz: «Die Briten werden sich jetzt auf die Teilnahme in Horizon-Europe-Projekten fokussieren, wo die Schweiz grösstenteils ganz ausgeschlossen ist. Wir stehen damit wieder isoliert und alleine da.»

Es macht die Position der Schweiz noch spezieller, zeigt aber auch, dass wenn ein Wille vorhanden ist, ein Weg gefunden werden kann.
Autor: Michael Hengartner Präsident des ETH-Rates

Die Schweiz dürfte also noch einsamer werden. Nach den Worten von Hengartner vom ETH-Rat macht dies die Position der Schweiz noch spezieller, weil sie jetzt als einziges Land mitten in Europa nicht assoziiert sei. Es zeige aber auch, dass bei vorhandenem Willen auch ein Weg gefunden werden könne.

EU-Botschafter: «Voraussetzungen schon lange klar»

Gegenüber Grossbritannien hat sich die EU bewegt. Tut sie es auch gegenüber der Schweiz? Die Frage geht an Petros Mavromichalis, den EU-Botschafter in Bern. Die EU möchte die Schweizer Universitäten gerne wieder teilnehmen lassen und eigentlich seien die Voraussetzungen dafür schon lange klar, sagt er.

Mavromichalis verweist auf die laufenden Sondierungsgespräche über die zahlreichen offenen Streitpunkte: «Ein positives Ergebnis der laufenden Sondierungsgespräche und ein klares politisches Bekenntnis zur Lösung der offenen strukturellen Fragen in unseren Beziehungen wird auch den Weg für Verhandlungen über die vollständige Assoziierung an Horizon und andere Programme ermöglichen.»

Der allgemeine politische Wille des Bundesrats, vorwärtszumachen, ist also entscheidend für die Aufnahme von Verhandlungen auch bei Horizon. Doch der Bundesrat gibt sich zugeknöpft. Bis zu einer Einigung kann es also dauern, obwohl selbst das zuständige Staatssekretariat gerne vorwärtsmachen will, wie es schriftlich mitteilt. Die Wissenschaft befürchtet, dass mit weiteren Verzögerungen der Standort Schweiz sukzessive und schleichend an Attraktivität einbüsst.

Rendez-vous, 07.09.2023, 12:30 Uhr

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