Dieser Fall sorgte für Schlagzeilen: Als Oberärztin am Berner Inselspital wollte Natalie Urwyler eine akademische Karriere einschlagen. Sie wurde schwanger, bekam ein Kind und wurde von ihrem Arbeitgeber ausgebremst. Gestützt auf das Gleichstellungsgesetz hat sich Urwyler vor Gericht gewehrt – erfolgreich. Jüngst hat sie vom Regionalgericht Bern-Mittelland teilweise recht erhalten. Die Ärztin und dreifache Mutter Vanessa Banz arbeitet ebenfalls am Berner Inselspital, machte jedoch eine andere Erfahrung. Ihr Karriereweg als Frau in der Medizin sei aber keineswegs vorgespurt gewesen.
SRF News: Ihre Berufskollegin Natalie Urwyler bekam ein Kind und wurde deshalb vom Inselspital aufs Abstellgleis gestellt. Was sagen Sie zu diesem Fall?
Vanessa Banz: Ich denke, bei mir war die Situation ganz anders. Ich habe die Schwangerschaften nie als Nachteil erlebt. Ich hatte einen sehr unterstützenden Chef, das Bewusstsein war gross. Bei mir war es eher das Gegenteil: Er musste mich als Hochschwangere bremsen. Ich hatte aber auch drei problemlose Schwangerschaften und wurde dabei nicht aufs Abstellgleis gestellt. Das waren sicher grosse Unterschiede bei mir.
Aber wie ist es möglich, dass zwei Ärztinnen und Mütter im gleichen Unternehmen so unterschiedliche Erfahrungen machen?
Das ist schwierig zu sagen, ich kenne nicht alle Hintergründe. Ich denke, es hat vieles nicht gepasst. Möglicherweise waren gewisse Dinge im Wandel, aber nicht schnell genug. Viel wichtiger finde ich, dass mittlerweile an den meisten Kliniken das Bewusstsein herrscht, dass man ein gutes Team braucht.
Man braucht ein diverses Team: Frauen, Männer, jung, alt, unterschiedliche ethische und sozio-kulturelle Hintergründe.
Was macht für Sie ein gutes Team aus?
Man braucht ein diverses Team: Frauen, Männer, jung, alt, unterschiedliche ethische und sozio-kulturelle Hintergründe. Von einer Diversität im Team profitieren auch der Patient, die Patientin sehr stark.
Weshalb kamen Sie 2006 überhaupt ans Inselspital?
Es war nicht so geplant, eigentlich hatte ich eine andere Assistenzstelle. Ich sprach damals an einem Kongress und mein heutiger Chef sprach mich an. Er gab mir die Visitenkarte einer damaligen Oberärztin und sagte, ich solle mich bei ihr erkundigen, wie es sei, als Frau in seinem Team zu arbeiten. Das habe ich getan.
Und das hat Sie gelockt?
Ich denke, die Situation damals im Jahr 2005 war tatsächlich noch ziemlich anders. Das Thema der Frauen in der Medizin war noch viel präsenter. Als Frau war man krass in der Minderheit, gerade in der Viszeralchirurgie. In den Kaderpositionen hatte es kaum Frauen. Deshalb war die Aussage meines Chefs schon sehr verlockend.
Wie schauen Sie heute auf Ihre medizinische Karriere als Frau?
Ich denke, Chirurgie ist nach wie vor ein Fach, bei dem man mit einer gewissen Passion ans Werk muss. Es ist physisch anstrengend. Und es ist ein langer Weg, bis man genug Erfahrung hat, um tatsächlich die Führung zu übernehmen. Bei meinem Einstieg in die Chirurgie war es als Frau aber tatsächlich nicht einfach. Gute Vorbilder haben mir häufig gefehlt.
Es waren grösstenteils Männer, die zum Glück früh erkannt haben, dass die Teamdurchmischung wichtig ist.
Wie meinen Sie das?
Es waren grösstenteils Männer, die zum Glück früh erkannt haben, dass die Teamdurchmischung wichtig ist. Aber es ist schon so: Als Assistentin gab es Momente, in denen ich nicht wusste, ob ich das auf Dauer aushalte. Etwa, als gefragt wurde, was ich denn machen würde, wenn ich eine Familie möchte. Man gab einem schon das Gefühl, wenn man sich für Kinder entscheidet, kann es zu einem Karrierebruch kommen. Das ist heute anders.
Das Gespräch führte Leonie Marti.