Sie sind in der Schweiz geboren, lernen zu Hause aber kein Wort Deutsch. Fremdsprachige Kinder haben im Kindergarten oft Mühe, sich zu verständigen. Neue Zahlen der Universität Basel, die SRF exklusiv vorliegen, zeigen: 55 Prozent der Kinder sprechen zu Hause eine oder mehrere Fremdsprachen, jedes fünfte Kleinkind spricht gar nicht oder nur sehr selten Deutsch.
Sprachtests von Kantonen und Gemeinden
Darum führen immer mehr Kantone und Gemeinden Sprachtests durch. Mit einem Fragebogen werden die Deutschkenntnisse der Vorschulkinder geprüft. Sind diese ungenügend, sollen die Kinder, bevor sie in den Kindergarten kommen, Deutsch lernen.
Wenn man sich nicht verbal mitteilen kann, muss man schlagen oder mit Schreien auf sich aufmerksam machen.
Shanaya spricht zu Hause Portugiesisch. Zweimal pro Woche geht sie in die Purzelbaum-Spielgruppe in Matzingen TG. Hier lernt sie Deutsch, damit sie später im Kindergarten folgen kann.
Im Kanton Thurgau sind bei 25 Prozent der getesteten Kleinkinder die Deutschkenntnisse mangelhaft. Trotz einiger Missverständnisse verstehen die Kinder in der Spielgruppe zunehmend besser Deutsch. Wenn sie nichts verstehen, reagieren sie unterschiedlich, einige werden gar verhaltensauffällig, wie die Spielgruppenleiterin, Cornelia Bosshart sagt. «Wenn man sich nicht verbal mitteilen kann, muss man schlagen oder mit Schreien auf sich aufmerksam machen. Ich denke, das hat einen grossen Einfluss – auch später auf die ganze Schulbildung.»
Mittlerweile führen 354 Gemeinden Sprachtests per Fragebogen durch, im Thurgau sogar flächendeckend. Dreijährige, die den Test nicht bestehen, müssen an zwei Vormittagen in eine Kita oder eine Spielgruppe. Im Thurgau ist der Besuch für diese Kinder obligatorisch.
Kinder, die ihre Emotionen in Sprache ausdrücken können, können diese auch gut regulieren.
Marina Jambreus von der Universität Basel hat die Fragebögen mitentwickelt. Laut aktueller Erhebung sprechen 55 Prozent der Kinder zu Hause eine oder mehrere Fremdsprachen. «Kommen Kinder im Kindergarten erstmals in Kontakt mit der deutschen Sprache, haben sie einen Rückstand gegenüber den anderen Kindern. Das aufzuholen, wird schwierig», sagt Jambreus.
Zudem zeigen Studien, dass Sprache mit emotionaler Entwicklung zusammenhängt. «Kinder, die ihre Emotionen in Sprache ausdrücken können, können diese auch gut regulieren. Kinder, die das nicht können, sind hingegen frustriert oder erleben Stress, was auch zu einem sozialen Rückzug führen kann.»
Mangelnde Deutschkenntnisse trotz Schweizer Pass
Im Kanton Thurgau sind bei 25 Prozent der getesteten Kleinkinder die Deutschkenntnisse mangelhaft. Viele der Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen haben einen Schweizer Pass, in Bischofszell beispielsweise 47 Prozent.
Das hat auch uns überrascht.
Der Vorsitzende des Amts für Volksschulen, Beat Brüllmann, ist alarmiert. «Das hat auch uns überrascht. Wir erklären uns das damit, dass viele Ehen mit einer fremdsprachigen Person geschlossen werden.» Die Eltern könnten dann zwar Deutsch, sagt Brüllmann. Die Kinder würden aber oftmals von den Grosseltern betreut und unterhielten sich mit ihnen in einer Fremdsprache.
Die Kita- und Spielgruppenbesuche für Dreijährige mit Deutschdefizit kosten den Kanton Thurgau zwei Millionen Franken pro Jahr. Ursprünglich wollte er die Eltern zur Kasse bitten. Doch das Bundesgericht entschied dagegen.