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Friedensbemühungen der Schweiz Klare Kante statt Gute Dienste?

An der Ukraine-Konferenz in Davos kann sich die Schweiz profilieren mit ihren Guten Diensten. Traditionell rühmt sich die Schweiz für diese Rolle: In den grossen Konflikten aber sind ihre Dienste zurzeit wenig gefragt. Und ihr Sinn wird zunehmend hinterfragt.

Auf die Schweiz und ihre Guten Dienste wartet niemand – im Gegenteil: Um Konferenzen wie heute in Davos streiten sich die Staaten. «Es gibt international einen Wettbewerb um die Guten Dienste», sagt Laurent Goetschel, Professor für Politikwissenschaft und Direktor der Schweizerischen Friedensstiftung Swisspeace. «Staaten werben mit Standortvorteilen und Annehmlichkeiten für sich. Denn solche Konferenzen zum Beispiel bringen Prestige für einen Staat.»

Grossmächte vermitteln

Norwegen, Schweden oder Österreich sind klassische Konkurrenten der Schweiz im Wettbewerb um Konferenzen und Konfliktvermittlung. Doch aktuell prägen Gross- und Regionalmächte die Schlagzeilen: Die Türkei hat zwischen der Ukraine und Russland vermittelt, Katar zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas – oder China zwischen dem Iran und Saudi-Arabien.

Was sind Gute Dienste?

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Die Schweiz als Konferenzort oder Gaststaat für internationale Organisationen wie die UNO in Genf – das ist ein klassisches Beispiel für Gute Dienste. Aber auch Vermittlungen in Konflikten – bekannt geworden sind zum Beispiel Vermittlungen Mosambik oder Kolumbien.

Ein weiteres Feld sind so genannte Schutzmachtmandate: Dabei übernimmt die Schweiz einen Teil der konsularischen und diplomatischen Aufgaben, wenn zwei Staaten ihre Beziehungen ganz oder teilweise abbrechen. Die Zahl dieser Schutzmachtmandate ist laufend zurückgegangen. Heute nimmt die Schweiz noch fünf Mandate wahr, zum Beispiel für die USA im Iran.

Ein Schweizer Angebot für ein Schutzmachtmandat in der Ukraine hatte Russlands Regierung nach Kriegsbeginn 2021 abgelehnt, weil sie die Schweiz aufgrund der Sanktionen nicht mehr als neutral erachte.

Solche Vermittlungen basierten auf der Macht der Vermittler, sagt Aussenminister Ignazio Cassis: «Diese Macht haben wir nicht. Wir machen etwas anderes.» Die Schweiz vermittle im Stillen. Sie ist weltweit in rund 20 Friedensprozessen aktiv – häufig in international wenig beachteten Konflikten.  

Gute Dienste überschätzt?

Sacha Zala schaut mit nüchternem Blick auf die Guten Dienste der Schweiz. Sie würden eher über- als unterschätzt, sagt der Historiker und Leiter der Forschungsstelle «Diplomatische Dokumente der Schweiz»: «Die Schweizer Perzeption, wonach nur der mustergültige Neutrale in fast göttlicher Mission berufen ist zu vermitteln, stimmt nicht.» Die Geschichte der Guten Dienste sei eine Geschichte von Erfolgen und Misserfolgen. Und sie hätten regelmässig dazu gedient, im In- und Ausland die Neutralität zu rechtfertigen.

Mann an Rednerpult, blauer Hintergrund
Legende: Bundesrat Ignazio Cassis auf einer Pressekonferenz während des 4. Treffens der Nationalen Sicherheitsberater (NSA) zur Friedensformel für die Ukraine in Davos. KEYSTONE/ Gian Ehrenzeller

Um die Neutralität ist eine heftige Debatte entflammt seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und dem Schweizer Entscheid, die Russland-Sanktionen der EU mitzutragen. In Russland ist die Schweiz deswegen in Ungnade gefallen als Anbieterin von Guten Diensten. Die SVP kritisiert deswegen: Die Schweiz habe innert kurzer Zeit ihr Kapital als Vermittlerin verspielt.

Historiker Sacha Zala teilt diese Sicht nicht. Die nationalen Interessen der Schweiz hätten immer Vorrang. «Die Schweiz darf und muss ihre Interessen verfolgen», sagt Zala. Aus diesen Überlegungen habe die Schweiz auch im Kalten Krieg faktisch Wirtschaftssanktionen gegen die Sowjetunion und ihre Verbündeten mitgetragen.

Klare Kante statt Gute Dienste?

Rechts also gibt es ein Unbehagen, weil sich die Schweiz positioniert. Noch breiter abgestützt – von links bis in die Mitte – ist eine genau gegenteilige Kritik: Gerhard Pfister vertritt sie, der Präsident der Mitte-Partei. Die Schweiz müsse sich stärker abgrenzen gegenüber autoritären Staaten wie dem Iran etwa, sagt er: Wenn nötig auf Kosten von Guten Diensten. «Die Zeitenwende bringt die Schweiz in eine Situation, in der sie sich entscheiden muss.»

Also lieber klare Kante als gute Dienste? Laurent Goetschel, Direktor der Friedensstiftung Swisspeace, hält davon wenig. Mit seinen Mitarbeitenden berät und unterstützt er das EDA in der Friedensförderung. Die Schweiz solle auch künftig mit möglichst allen reden: «Das ist umso wichtiger, je konfliktiver die Welt wird und je mehr unterschiedliche Pole entstehen.»

Echo der Zeit, 14.01.2024, 18:00 Uhr

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