Zum Inhalt springen

Fussgängerstreifen beleuchten Fussgänger oder Fledermäuse? Aargauer Gemeinden im Dilemma

Einzelne Aargauer Gemeinden schalten Strassenlampen nachts aus, wegen der Lichtverschmutzung. Das könnte illegal sein.

Licht an oder aus und für wen? Diese Fragen stellen sich im Aargau immer mehr Gemeinden, wenn es um die nächtliche Strassenbeleuchtung geht. Die Stadt Baden zum Beispiel lässt das Licht seit einigen Jahren schon zwischen ein und fünf Uhr morgens aus, im Kampf gegen Lichtverschmutzung zugunsten von Fledermäusen und anderen nachtaktiven Tieren. Zudem lässt sich so Strom sparen. Die Nachtabschaltung der Strassenbeleuchtung gilt in Baden seit Ende 2015.

Ganz anders läuft es in der Kantonshauptstadt Aarau. Hier bleibt die Strassenbeleuchtung auch nachts an, zur Sicherheit der Fussgängerinnen und Fussgänger. Aarau beleuchtet die Stadt samt ihren Fussgängerstreifen mit stromsparenden LED-Lampen.

Dunkler Fussgängerstreifen
Legende: Fussgängerstreifen in Baden an der Mellingerstrasse im Quartier Meierhof an einem Werktagmorgen zwischen 1 und 5 Uhr. Stefan Ulrich/SRF

In der Verordnung zum neuen Aargauer Strassengesetz steht, dass ab 2022 Fussgängerstreifen an Kantonsstrassen bei Dunkelheit beleuchtet sein müssen, mindestens die Lampen bei Fussgängerstreifen müssten also eingeschaltet sein. Eine Unterscheidung zwischen Laternen bei Fussgängerübergängen und anderen sei aber technisch kaum machbar, heisst es in der Stadt Baden.

Man könne nur alle Leuchten aus- oder einschalten, eine punktuelle Steuerung sei nicht möglich, sagt Martin Koch, der in Baden für die Strassenbeleuchtung zuständig ist. «Da die städtische Beleuchtung in einer Rundschaltung gesteuert ist, können wir nicht einzelne Lampen brennen lassen.»

Wir können nicht einzelne Lampen brennen lassen.
Autor: Martin Koch Stadt Baden

Martin Koch erachtet die Dunkelheit bei Fussgängerstreifen aber nicht als illegal. Die Verordnung zu einem Gesetz verstehe man eher als Empfehlung. Wirklich mehr Unfälle gebe es nachts auf Badener Fussgängerstreifen nicht, fügt Koch an. Fussgängerinnen und Fussgänger seien nachts beim Überqueren der Fussgängerstreifen vorsichtiger als am Tag. Autolenkerinnen und Autolenker seien im Dunkeln aufmerksamer, weil die Sicht eingeschränkt sei.

Die Sicherheitsfrage ist ganz hoch zu gewichten.
Autor: Jens Hübner Tiefbau Stadt Aarau

Anders argumentiert die Stadt Aarau. «Wir haben uns die Frage gestellt und kamen mit dem Stadtrat einstimmig überein. Die Sicherheitsfrage ist ganz hoch zu gewichten, auch weil in Aarau viele Personen unterwegs sind, die im Schichtbetrieb arbeiten», sagt Jens Hübner vom Aarauer Tiefbauamt. Hübner verweist unter anderem auf das Kantonsspital, dessen Personal auch nachts unterwegs ist.

Aarau kam zum Schluss, dass man überhaupt keinen Spielraum habe: «Ein Gesetz gibt das Ziel vor, die Verordnung den Weg dahin, so handhaben wir das in Aarau». Zudem würde Aarau die Fussgängerstreifen auch ohne gesetzliche Vorgaben beleuchten, hält Hübner fest. Sicherheit sei das oberste Gebot.

Strassenlampe
Legende: Das viele Licht in den Siedlungsgebieten stresst Fledermäuse, Insekten und andere nachtaktive Tiere. Zudem verbrauchen die Lampen je nachdem unnötig Strom. Deshalb schaltet Baden die Strassenlampen aus. Keystone

Abwägen, was mehr zählt

Am Schluss sei es eine Güterabwägung, findet man in Baden. Lichtverschmutzung, Energie, Kosten und Sicherheit müssten gegeneinander abgewogen werden. Baden gewichtet dabei anders als Aarau. Die Kantone wiederum haben unterschiedliche Vorgaben. Eine Bundesregelung fehlt.

Das sagen Fachstellen zur Beleuchtung von Fussgängerstreifen

Box aufklappen Box zuklappen

Die Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU rät: «Die Erkennbarkeit einer Fussgängerstreifenanlage sowie die querenden Fussgänger müssen auch nachts bis ein Meter hinter den Annäherungsbereich gewährleistet sein. Hierzu sind die querenden Fussgänger mit einer adäquaten öffentlichen Beleuchtung zu beleuchten.» Zudem gibt der Verband der Schweizerischen Strassenfachleute (VSS) Normen vor, dass Fussgängerstreifen nachts immer beleuchtet werden sollen. Ein grosser Teil der Schweizer Gemeinden hält sich an diese Norm.

Eine Verordnung zur Strassenbeleuchtung, aber zwei verschiedene Interpretationen dazu. Gut möglich, dass die Beleuchtung der Fussgängerstreifen im Aargau wieder zum Politikum oder auch zum Rechtsstreit wird, da offenbar nicht klar ist, was juristisch nun genau gilt.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 22.02.22, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel