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Gabriel zum Rahmenabkommen «Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass»

Der Prozess zum Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU stockt seit Monaten. Jetzt blockiert das Parlament noch die Gelder für die Ost-Länder, die sogenannte Kohäsionsmilliarde. Der ehemalige deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel äussert Verständnis für die Schweizer Gewerkschaften, sieht aber keine unlösbaren Probleme. SRF News hat Gabriel am Europa-Forum zum Gespräch getroffen.

SRF News: Die Schweiz sucht mit dem Rahmenabkommen ihre Rolle in Europa. Braucht es das überhaupt?

Sigmar Gabriel: Wenn ich mich in die Rolle der Schweiz hinein versetze, dann braucht es das deshalb, weil manche Rechtsnormen sich in Europa und der Schweiz in den letzten Jahrzehnten anders entwickelt haben. Es geht darum, dass man diese anpasst, um für Bürger und Unternehmen Rechtssicherheit und Planbarkeit zu schaffen. Das ist der wesentliche Vorteil eines solchen Abkommens, da es nicht identische, sondern gleichwertige Systeme sind, die miteinander kooperieren.

Der Arbeitnehmerschutz ist der grösste Stolperstein. Die Schweizer Gewerkschaften fordern Nachverhandlungen und möchten, dass der Europäische Gerichtshof in Sachen Lohnschutz gar nichts zu sagen hat. Eine realistische Forderung?

Ich verstehe die Position von Gewerkschaften. Es ist klar, dass in einem Land, in dem die sozialen Standards hoch sind, die Gewerkschaften nicht wollen, dass diese Standards unter Druck geraten. Wir haben uns nach langen Debatten in Europa Anfang 2018 endlich entschieden, das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort einzuführen – um den Dumpingwettbewerb um schlechteste Löhne und Sozialabgaben zu beenden.

Also es geht auch in Europa in diese Richtung. Aber die Schweizer möchten trotzdem, dass das Gericht in diesem Bereich nichts zu sagen hat.

Das wird so nicht gehen. Ich verstehe die Schweizer Gewerkschaften. Aber das ist ein bisschen der Versuch: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Wer mit der EU gemeinsame Standards verabredet, wird sich darauf einlassen müssen, dass es europäisches Recht gibt, das es zu beachten gilt. Trotzdem glaube ich, dass das lösbare Probleme und keine unüberwindlichen Hürden sind. Und ich hoffe sehr, dass das in den nächsten Wochen gelingt.

Seit fast zehn Jahren wird über das Rahmenabkommen debattiert. Sollte die Schweiz noch nachverhandeln?

Ich glaube, dass die Europäer nicht zu Unrecht sagen: «Wir haben so lange darüber geredet, jetzt entscheidet mal.» Vielleicht gibt es Möglichkeiten zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften in der Schweiz, als Sozialpartner Dinge zu verabreden, die dem Sicherheitsbedürfnis der Gewerkschaften nachkommen. Aber ich glaube, dass es von Seiten der Europäer keine grossen Nachverhandlungen geben wird. Vielleicht gibt es Interpretationen, aber man muss jetzt mal den Gordischen Knoten durchschlagen. Die Gewerkschaften haben ja noch ein anderes Interesse. Europa und Deutschland gehören zu den grossen Märkten für Schweizer Unternehmen. Die Gewerkschaften wollen sicher, dass Schweizer Arbeitsplätze für ihre Mitglieder erhalten bleiben. Die hängen aber davon ab, ob es gute und reibungslose Beziehungen zwischen dem Schweizer Markt und dem EU-Binnenmarkt gibt.

Also haben die Gewerkschaften ein Eigeninteresse?

Ein sehr grosses sogar. Die Schweiz ist ein exportorientiertes Land, der wichtigste Partner ist die EU, darunter das wichtigste Deutschland. Es gibt ein Interesse, gerade der Gewerkschaften, dass diese Exportstärke, die zur Sicherheit von Arbeitsplätzen in der Schweiz beigetragen hat, nicht in Frage gerät. Insofern würde ich raten, ein bisschen abzuwägen, was am Ende den Interessen der Arbeitnehmerinnen und -nehmer am meisten dient.

Das Gespräch führte Christoph Nufer.

Sendebezug: SRF 4 News, 13 Uhr

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