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Gambischer Ex-Minister Ousman Sonko wird zu 20 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt

  • Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts hat den früheren gambischen Innenminister wegen mehrfachen qualifizierten Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt.
  • Die Bundesanwaltschaft (BA) hat eine lebenslange Freiheitsstrafe beantragt. Der Angeklagte verlangte einen Freispruch.
  • Sonko kam als Asylsuchender in die Schweiz, weshalb er hierzulande angezeigt werden konnte.

Die Strafkammer des Bundesstrafgerichts hat ihn schuldig gesprochen der mehrfachen vorsätzlichen Tötung, der mehrfachen Freiheitsberaubung und der mehrfachen Folter als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Eingestellt wird das Verfahren in den Vergewaltigungsfällen. Das Gericht hat zudem eine Landesverweisung von zwölf Jahren angeordnet.

Die Bundesanwaltschaft wirft Sonko vor, in seinen jeweiligen Führungsfunktionen für Tötungen, Folterungen, Vergewaltigungen und die mehrfache Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung mitverantwortlich gewesen zu sein. In einem Fall wird er beschuldigt, die Witwe eines getöteten Militärangehörigen unzählige Male vergewaltigt zu haben.

Menschen stehen vor dem Bundesstrafgericht.
Legende: Mutmassliche Opfer demonstrieren vor dem Bundesstrafgericht vor dem Beginn des Prozesses, in Bellinzona. (8. Januar 2024) Keystone/ Pablo Gianinazzi

Die Folterungen und Sexualverbrechen gegen Journalisten, Oppositionelle oder mutmassliche Putsch-Beteiligte sollen von der paramilitärischen Einheit Junglers auf Anordnung von verschiedenen Führungskräften erfolgt sein – unter ihnen der Angeklagte.

Kurzeinschätzung: «Wichtiges Zeichen für Bevölkerung»

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Kurzeinschätzung von Sibilla Bondolfi, SRF-Gerichtskorrespondentin: «Dass Ousman Sonko verurteilt wurde, ist wenig überraschend, das zeichnete sich bereits seit Längerem ab. Bemerkenswert ist aber, dass das Bundesstrafgericht die Tötungen, Folter und Freiheitsberaubungen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einstuft. Das ist nicht nur wegen der Unverjährbarkeit relevant. Damit anerkennt das Gericht auch, dass das Regime in Gambia, unter dem Sonko Polizeichef und Innenminister war, die Zivilbevölkerung systematisch angegriffen hat. Für die Bevölkerung in Gambia dürfte dies ein wichtiges Zeichen sein. Dass das Verfahren wegen Vergewaltigung mangels Zuständigkeit der Schweiz sowie wegen Verjährung eingestellt wird, dürfte dabei nachrangig sein.»

Systematischer Angriff gegen Zivilbevölkerung

Die von der BA angeklagten Taten fallen in den Zeitraum von Januar 2000 bis September 2016. Die Verbrechen soll der Gambier mehrheitlich in Mittäterschaft mit dem damaligen Präsidenten des westafrikanischen Landes, Yahya Jammeh, sowie Führungsmitgliedern von Sicherheitskräften und Gefängnisdiensten begangen haben.

Dies sei im Rahmen eines systematischen und ausgedehnten Angriffs gegen die Zivilbevölkerung geschehen. In der 16 Jahre umfassenden Zeitspanne machte Sonko Karriere innerhalb des Staatsdienstes. Ab 2003 stieg er in der dem Präsidenten unterstellten Staatsgarde schnell auf. Dieser ernannte Sonko im Februar 2005 zum Generalinspektor der Polizei und im November des Folgejahrs zum Innenminister.

Sonko wies während der rund einen Monat dauernden Hauptverhandlung die Verantwortung für die Verbrechen wiederholt von sich. Er negierte beispielsweise, Befehlsgewalt über die Junglers gehabt zu haben. Von den angeklagten Folterungen habe er nichts gewusst – und er habe erst in der Schweiz davon erfahren.

Offene Rechtsfragen

Mit dem Prozess gegen Sonko steht erstmals ein früherer Innenminister wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Schweiz vor Gericht. Es stellen sich rechtliche Fragen zur Anwendung des 2011 in der Schweiz in Kraft getretenen Artikels des Strafgesetzbuches zu den Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Letztlich wird wohl das Bundesgericht darüber befinden müssen.

Im September 2016 entliess der Machthaber Jammeh seinen langjährigen Innenminister Sonko. Dieser flüchtete kurze Zeit später und stellte schliesslich in der Schweiz ein Asylgesuch. Bis zu seiner Festnahme im Januar 2017 lebte er unbehelligt im Durchgangszentrum in Kappelen-Lyss BE. Seither befindet er sich in Haft.

Für die seit dem 25. Januar 2017 verbrachte Zeit in Haft verlangt Sonko eine Entschädigung von 200 Franken pro Tag – total 519'000 Franken. Zudem will er für die unter mutmasslich rechtswidrigen Bedingungen verbrachten Hafttage mit rund 290'000 Franken entschädigt werden.

SRF 4 News, 15.05.2024, 9 Uhr ; 

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