Eigentlich ist es eine grosse Ehre. Die Schweiz ist das erste Land, das bereits zum dritten Mal den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernimmt. Dass sie angefragt wurde, hängt für Mitte-Ständerat Daniel Fässler damit zusammen, dass sie für all die zerstrittenen Staaten am ehesten in dieser Rolle annehmbar ist – selbst für Russland.
«Russland kritisiert die Schweiz zwar wegen der Übernahme der EU-Sanktionen. Es akzeptiert sie aber als diplomatische Funktionsträgerin», sagt Fässler, der die Schweizer Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE leitet.
Die OSZE ist das einzig verbliebene Gremium, in dem die USA und die westeuropäischen Staaten mit Russland an einem Tisch sitzen.
Die OSZE zu führen, ist anspruchsvoll. Denn die Organisation, die 57 Mitgliedsländer aus ganz Europa, Zentralasien und Nordamerika hat, muss die meisten Entscheidungen einstimmig fällen. Deshalb ist sie häufig blockiert und handlungsunfähig. Das räumt auch Fässler ein.
Gleichzeitig hält er den Kritikerinnen und Kritikern entgegen, dass die Bedeutung der OSZE unterschätzt werde. «Es ist das einzig verbliebene Gremium, in dem die USA und die westeuropäischen Staaten mit Russland an einem Tisch sitzen. Wenn auch nur auf Minister- und Botschafterebene.
Deeskalation durch Dialog
Dieser Dialog sei zwar kein Wundermittel, aber er sei eine Basis, wenn man Lösungen für die verschiedenen Konflikte finden wolle. Allerdings ist Fässler skeptisch, ob die OSZE massgeblich zu einem Ende des Krieges in der Ukraine beitragen kann. Aber sie könne sich dafür einsetzen, dass nicht neue Brandherde entstehen – und dass brenzlige Situationen, etwa auf dem Balkan oder in der Kaukasus-Region, nicht weiter eskalierten.
Als Beispiel nennt Fässler die Situation zwischen Aserbeidschan und Armenien. Das militärisch stärkere Aserbeidschan hatte vor mehr als zwei Jahren die Region Berg-Karabach gewaltsam von Armenien zurückerobert – und die meisten ethnischen Armenierinnen und Armenier von dort vertrieben. Aserbeidschanische Politiker drohten mit weiteren Angriffen gegen das Nachbarland.
Die OSZE habe dazu beigetragen, dass der Konflikt nicht noch weiter eskaliert sei, sagt Fässler. «Nun steht ein Gesprächsforum, in dem die Streitthemen besprochen werden können. Die Schweiz hat eine gute Chance, sich hier einzubringen.»
In dieser unruhigen Zeit sendet ein neutrales Land mehr Vertrauen aus als ein Land, das einem Flügel zugeordnet wird.
Das unterstreicht auch SP-Nationalrätin Claudia Friedl, die Vizepräsidentin der Schweizer Delegation bei der Parlamentarischen Versammlung der OSZE. Mit Blick auf die verschiedenen Krisenherde ist sie überzeugt, dass die Schweiz einen Beitrag leisten kann. «Wir haben eine lange Tradition in der Diplomatie und bei den Menschenrechten. Und in dieser unruhigen Zeit sendet ein neutrales Land mehr Vertrauen aus als ein Land, das einem Flügel zugeordnet wird.»
Wenn schon wenig viel ist
Gleichzeitig, sagt die Sozialdemokratin, gebe es für die Schweiz nächstes Jahr noch eine Herausforderung. Die OSZE habe auch als Organisation einen Reformbedarf. Die Strukturen seien teilweise schwerfällig, es gebe Streit um die Finanzierung und zwischen verschiedenen Mitgliedsstaaten herrsche tiefes Misstrauen.
Da sei auch das Vorsitz-Land gefordert. Grosse Veränderungen dürfe man aber nicht erwarten, relativiert Friedl. «In diesen schwierigen Konstellationen bedeuten schon kleine Schritte viel.»
Dieses Motto gilt wohl überhaupt für den Schweizer OSZE-Vorsitz 2026: In einer unruhigen und verunsicherten Welt sind schon kleine Fortschritte ein Erfolg.