Zum Inhalt springen

Gefälschte Unterschriften Sammelfirmen sollen massiven Druck auf Initiativkomitees ausüben

Sammelfirmen sollen Unterschriften systematisch kopiert haben. Und: Sie hätten Druck ausgeübt auf Initiativkomitees.

«Es ist uns erst in den letzten Monaten aufgefallen», sagt Marc Wilmes. Beim erfahrenen Campaigner gehen jährlich gegen 800'000 Unterschriften über den Tisch. Er kontrolliert und verpackt die Unterschriften-Bögen im Auftrag von Initiativkomitees. Aufgefallen ist ihm, dass er von Sammelfirmen zwar ausgefüllte, aber kaum berührte Bögen erhielt, «jungfräulich», wie er sagt. Seine Faltmaschine stockte weniger als gewöhnlich. Wilmers Verdacht: Diese Bögen waren wohl nie zur Unterschriftensammlung auf der Strasse.

Dazu kamen andere Indizien: Handschriften, die sich gleichen, oder andere verdächtige Resultate. Wilmes zeigt Bögen, welche die Stadt Nyon beglaubigt hat. 15 Unterschriften sind ungültig, davon ganze zwölf, weil die betreffenden Personen weggezogen seien. «Es kann doch nicht sein, dass so viele Leute zwischen der Unterschriftsabgabe und der Kontrolle bei der Gemeinde umziehen, innerhalb von wenigen Wochen.» Wilmes' Schlussfolgerung: «Ich bin überzeugt, dass irgendwo Unterschriftenlisten oder ganze Karteien vorhanden sind, von denen abgeschrieben wird.»

Zum Kauf von Unterschriften gedrängt

Systematisches Betrügen, ein schwerer Vorwurf an die Adresse der kommerziellen Sammelfirmen. Sie sammeln im Auftrag von Initiativkomitees Unterschriften gegen Geld. Bis zu sieben Franken verlangen sie pro Unterschrift. Letzte Woche enthüllte der «Tages-Anzeiger», dass bei einigen Initiativen viele Unterschriften ungültig waren und mutmasslich betrogen wurde. Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Wahlbetrug.

Gefälschte Unterschriften: So reagieren Behörden und Politik

Box aufklappen Box zuklappen

Bereits 2022 hat die Bundeskanzlei wegen mutmasslicher Verstösse Anzeige erstattet. Nach den Enthüllungen des «Tagesanzeiger» räumt sie nun Fehler in der Kommunikation ein. «Rückblickend muss ich sagen, wir hätten früher aktiv kommunizieren sollen. Vor allem jetzt, wo wir sehen, dass die Sensibilität dieses Themas so gross ist», sagte Bundeskanzler Viktor Rossi im «Tagesgespräch» von Radio SRF. Die Bundeskanzlei will nun mit den Kantonen ein engmaschigeres Monitoring des Unterschriftensammelns aufbauen.

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats lehnt Anträge für Gesetzesänderungen vorerst ab. Sie will erst die Strafuntersuchungen abwarten. Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats will ihrerseits abklären, ob und wie die Bundeskanzlei ihre Aufgabe wahrgenommen hat.

Elias Vogt ist Mitinitiant der Waldschutzinitiative, die Windräder in Wäldern verhindern will. Er erhebt einen weiteren Vorwurf. «Als ich die Initiative eingereicht habe, standen schon am nächsten Tag Leute dieser Firmen mit schweren Geländewagen vor meiner Türe», erzählt er. Er habe unzählige Telefonanrufe erhalten. Angestellte der Firmen hätten angerufen und um Aufträge gebettelt, ihre Frau und Kinder müssten sonst hungern. Mehrere Anbieter hätten zudem ohne gültige Mandate Unterschriften gesammelt, beglaubigt und ihm vorgelegt, inklusive Rechnung. Um welche Firmen es dabei geht, will Vogt nicht sagen. «Ich will nicht, dass sie nochmal vor meiner Türe stehen. Ich habe Angst vor denen.» Auch «Tamedia» berichtet über diese Druckversuche.

Whatsapp-Gruppen mit alten Listen

Im Fokus stehen Firmen aus der Westschweiz. Die «Rundschau» hat bereits 2023 über zweifelhafte Geschäftspraktiken der Unterschriftensammelfirmen berichtet. Hohe Preise, fragwürdige Sammelpraktiken, schlecht informiertes Personal. Zwei der angeschuldigten Firmen, «Pôle Swiss» und «Incop», wollen gegenüber der «Rundschau» nicht Stellung nehmen.

Die Firma Vox Communication hingegen stellt sich den Fragen der «Rundschau». Sie hat in der Branche bis anhin den besten Ruf unter den Westschweizer Firmen. Gründer Jérôme Campese sagt, dass die Bundesanwaltschaft ihn nicht kontaktiert habe. Druck ausüben? Hausbesuche? Solches Vorgehen stellt er entschieden in Abrede. Was die Vorwürfe der serienweise falschen Bögen angeht, erzählt er: «Ich habe von Whatsapp-Gruppen gehört, wo Sammlerinnen und Sammler alte Unterschriftslisten austauschen.» Das habe andere Firmen betroffen. Aber auch er habe schon Leute entlassen wegen Fehlverhalten. Seine abgelieferten Bögen seien alle korrekt auf der Strasse ausgefüllt worden.

«Rundschau»

Box aufklappen Box zuklappen
«Rundschau»
Legende:

Mehr zum Thema in der « Rundschau », am Mittwoch, um 20:05 Uhr auf SRF 1.

SRF Rundschau vom 11.09.2024, 20.10 Uhr

Meistgelesene Artikel