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Geheimdienstaffäre Cryptoleaks Ex-Mitarbeiter kritisieren Untersuchung der Bundespolizei

Die manipulierten Geräte hätten die Bundespolizei nicht interessiert, sagen ehemalige Mitarbeiter der Crypto AG.

Bruno von Ah sagt, er habe fast zwanzig Jahre geschwiegen, um die Belegschaft der Firma zu schützen, doch bei der Befragung 1994 habe er endlich geredet: «Ich sagte, dass es Hintertürchen in den Geräten hat und ich die Beweise liefern kann.» Der Bundespolizist habe seine Aussage zur Kenntnis genommen, aber nicht nachgefragt. Von Ah ist überzeugt: «Dieser Polizist wurde geschickt, um zu sondieren: Wer von uns könnte gefährlich werden?»

Ermittlungen der Bundespolizei

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Rund um die Vorwürfe gegen die Crypto AG führte die Bundespolizei in den 90er-Jahren Vorabklärungen gegen die Firma durch. Drei ehemalige Mitarbeiter erzählen gegenüber der «Rundschau» erstmals detailliert, wie sich die Befragungen der Bundespolizei abgespielt haben sollen.

Demnach habe sich die Bundespolizei weder für ihre Aussagen zu einer allfälligen Hintertür in den Crypto-Geräten noch über den amerikanischen Einfluss in der Firma interessiert. Keiner der drei Männer sei gebeten worden, ein Protokoll zu unterschreiben. Die Befragungen hätten weniger als eine Stunde gedauert.

Die CIA war offenbar über diese Befragung sehr gut informiert. In den CIA-Papieren, die der «Rundschau», dem ZDF und der Washington Post vorliegen, steht, Bruno von Ah habe mit der Polizei kooperiert und wäre ein «potenziell sehr schädlicher Zeuge».

Weiter schreibt der CIA-Historiker, der die Papiere verfasst hat: «Er behauptete, dass die Crypto-Geräte manipuliert sind, aber sagte nichts darüber, dass CIA und BND dahintersteckten.» Weshalb die CIA wusste, was von Ah in den Befragungen gesagt hat, bleibt ein Rätsel.

Offenbar nur Schweizer Geräte im Fokus

Laut dem ehemaligen Crypto-Mitarbeiter Jürg Spörndli habe die Bundespolizei ihm nicht gesagt, um was es gehe. Er habe aber schnell gemerkt, dass die Polizisten an den Algorithmen interessiert waren. «Ich habe ihnen gesagt, dass die Schweiz immer starke Algorithmen hatte und dass im Export keine starken Algorithmen drin waren», sagt Spörndli der «Rundschau».

Chiffriermaschine.
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Doch die Polizisten seien darauf gar nicht eingegangen, was ihn erstaunt habe: «Weil, das ist dann so ‹Schwupp› unter den Tisch.» Ihm sei klar geworden, dass es den Polizisten nur um die Schweizer Geräte gegangen sei.

Die «Rundschau» sprach mit einem dritten Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte: «Da waren vier oder drei von der Bundespolizei und zwei von der Kantonspolizei.» L. sagt, er habe damals ausgesagt, dass Leute vom Deutschen Bundesnachrichtendienst in der Firma tätig waren. Die Polizisten hätten aber nicht reagiert: «Die haben nicht gefragt, wer denn das war oder ob ich Namen nennen könnte. Nichts.»

Jürg Bühler, der damalige Leiter der bundespolizeilichen Abklärungen, gab der «Rundschau» zu diesem Thema im Dezember 2019 ein Interview und sagte dazu: «Dass wir es nicht haben wissen wollen, stimmt nicht.» Man habe jeweils nachgefragt und oft hätten die Mitarbeiter keine konkreten Hinweise geliefert. Aktuell nimmt Jürg Bühler zu den Vorwürfen der Mitarbeiter keine Stellung mehr.

Hielt FDP-Nationalrat Geheimnis für sich?

Georg Stucky war in den 90er-Jahren im Verwaltungsrat der Crypto AG und zu dieser Zeit auch im Nationalrat (FDP). Auch er wurde von der Polizei zu den Vorwürfen befragt, gemäss CIA wurde er «von der Polizei regelrecht gegrillt.»

Stucky habe daraufhin den Geschäftsführer der Crypto AG zur Rede gestellt, und die Wahrheit über die Besitzverhältnisse erfahren. Doch Stucky scheine danach nicht das Bedürfnis gehabt zu haben, diese Informationen mit der Bundespolizei zu teilen.

Bühler erklärte im Dezember gegenüber der «Rundschau», Stucky habe nichts über eine Fremdbestimmung der Firma mitgeteilt: «In unseren Akten steht so etwas nicht.» Im Nachhinein ärgere ihn, dass die Polizei von verschiedenen Beteiligten angelogen worden sei, so Bühler: «Es gab anscheinend viele Absprachen von verschiedenen Stellen, die dafür sorgten, dass die Abklärungen der Bundespolizei ins Leere liefen.» Georg Stucky möchte dazu heute keine Stellung nehmen.

Rundschau, 19.2.2020, 20:05 Uhr; hosb

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