Das Unispital Genf sucht Pflegepersonal für die zweite Corona-Welle und die Kantone warnen vor einem Personalmangel. Die Pflegenden selbst fühlen sich erschöpft und ernüchtert – zu wenig habe sich seit dem Applaus im Frühjahr verändert. Nun lancieren Gewerkschaften und der Berufsverband der Pflegefachleute eine Aktionswoche für mehr Anerkennung und bessere Arbeitsbedingungen.
Sie habe sich im Frühling über das Klatschen gefreut, erinnert sich die Pflegeexpertin Myriam Gerber. Sie arbeitet in einem grossen Spital im Kanton Bern. Im Sommer dann sagte sie: «Der Druck ist gestiegen, weil man versucht, die Verluste des Lockdowns zu kompensieren und das vor allem auf den Schultern des Pflegefachpersonals.» Pflegende fühlen sich überlastet und erschöpft.
Der Druck ist gestiegen, weil man versucht, die Verluste des Lockdowns zu kompensieren und das vor allem auf den Schultern des Pflegefachpersonals.
Die Anliegen der Pflegeverbände wurden zwar in der Politik gehört – das zeigt die Debatte über die Pflegeinitiative, welche unter anderem bessere Arbeitsbedingungen und mehr ausgebildetes Fachpersonal verlangt. «Diese Diskussion wird geführt und passiert ist natürlich das: Ich denke, dass die Pflegenden höhere Akzeptanz durch die Coronakrise gewonnen haben», sagt der Obwaldner Gesundheitspolitiker Erich Ettlin.
Ruth Humbel, Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission, unterstreicht ebenfalls, dass das Parlament die Pflege stärken will. Deshalb blickt sie kritisch auf die Aktionswoche der Pflegeverbände und ihre Forderungen wie etwa einen zusätzlichen Monatslohn für alle.
Würdigen die Kantone die Zusatzleistung?
Humbel will unterscheiden: «Es gab diejenigen, die in Covid-Spitälern tätig sein mussten, auf Intensivstationen, wo die psychische und physische Belastung sicher sehr gross war», erklärt sie und sagt weiter: «Da gehe ich davon aus, dass auch die Institutionen und die Kantone eine Leistungsabgeltung für diesen ausserordentlichen Einsatz ausrichten.» Daneben habe es viele Pflegefachleute in Kurzarbeit gegeben.
Ich gehe davon aus, dass die Institutionen und die Kantone eine Leistungsabgeltung für diesen ausserordentlichen Einsatz ausrichten.
Auch wenn die Pflegefachleute von der Politik gehört wurden – ihr Arbeitsalltag hat sich noch nicht spürbar verbessert. So ist es Herbst geworden. Pflegeexpertin Myriam Gerber stellt fest: Die Schutzkleidung reiche inzwischen aus und die Abläufe seien routiniert. «Sonst ist es stressig wie immer», sagt sie. Gerber spricht von Abfertigung, weil Personal fehle und die Bedingungen prekär seien. Und: Der Winter kommt erst.