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Gender Overall Earnings Gap Die Schweiz hinkt bei der Einkommensgleichheit hinterher

Ob unbezahlte Arbeit oder Pensionskasse: Ein neuer Bericht des Bundesrats zeigt die deutlichen Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau. Was muss sich ändern?

Samira Marti, Basler SP-Nationalrätin, hatte 2019 ein Postulat an den Bundesrat verfasst. Darin heisst es, dass der Bundesrat im Rahmen eines Berichtes klären soll, wie der Gender Overall Earnings Gap (GOEG) sowie andere wichtige Daten zu unbezahlter Arbeit und Lohndiskriminierung in Zukunft regelmässig als Zeitreihendaten erhoben oder berechnet und veröffentlicht werden können.

Der Bericht des Bundesrats zum Nachlesen

Dieser Bericht liegt nun vor und erstmals wurde der GOEG für die Schweiz berechnet. Nebst der bekannten Lohnungleichheit (19 Prozent) wurden weitere Punkte analysiert.

Gender Overall Earnings Gap (GOEG)

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Der GOEG ist ein von der EU-Statistikbehörde Eurostat entwickelter und berechneter synthetischer Indikator. Er bildet gemäss Bericht die Unterschiede beim Erwerbseinkommen zwischen 15- bis 64-jährigen Frauen und Männern ab. Das Modell wurde «eingeschweizert». (siehe Bericht oben)

Gender Overall Earnings Gap

Über alles gerechnet, haben Frauen im Erwerbsalter in der Schweiz im Jahr 2018 um 43.2 Prozent weniger verdient als Männer. 2018 gehörte die Schweiz zu den Ländern mit den insgesamt grössten Erwerbseinkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern.

Gender Pension Gap

Im Jahr 2020 betrug die durchschnittliche Höhe der Renten von Frauen 35'840 Franken; jene der Männer 54'764 Franken. Die durchschnittliche jährliche Gesamtrente der Frauen im Jahr 2020 ist somit um 18'924 Franken tiefer als jene der Männer. Im europäischen Vergleich gehört die Schweiz zu den Ländern mit einem relativ hohen Gender Pension Gap.

Unbezahlte Arbeit

Frauen wendeten mehr Zeit für Haus- und Familienarbeit auf (30 Std. pro Woche gegenüber 19 Std.). Umgekehrt setzten Männer im Durchschnitt mehr Zeit für bezahlte Erwerbsarbeit ein (31 Std. pro Woche gegenüber 21 Std.).

Politische Reaktionen

Samira Marti findet es wichtig, dass der Bericht gemacht wurde. «Es ist enorm wichtig, dass man die Realität in den nackten Zahlen abgebildet bekommt. Das Resultat ist sehr schockierend.» Frauen und Männer würden gleich viel Arbeit leisten, aber die Frauen seien trotzdem ökonomisch dermassen schlechter gestellt. «Es zeigt im Bericht auch, dass Kinder und Familiengründung ein Armutsrisiko für Frauen darstellt. Dieses Problem hat die Politik bis heute nicht gelöst.»

Was müsste sich gemäss Marti in der Zukunft ändern? «Wichtige Frauenberufe, namentlich in der Pflege, müssen besser entlohnt werden. Männer müssen ebenfalls ihren Teil bei unbezahlter Familien- und Care-Arbeit leisten.» Kinderbetreuung müsse zudem gemäss Marti gestärkt werden.

FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt , ebenfalls 1994 geboren, erklärt: «Frauen arbeiten mehr in Teilzeitberufen und verdienen deswegen auch weniger. Wir haben aber eine Tendenz nach oben: Die Arbeitsmarktpartizipation bei Frauen nimmt zu und deswegen wird auch das Einkommen zunehmen.» Er pflichtet Marti bei, dass Männer mehr zu Hause arbeiten sollten. «In meiner Generation ist das eine Selbstverständlichkeit.»

Einer generellen Lohn-Forderung, wie es Marti fordert, steht er kritisch gegenüber. «Man muss bessere Löhne zahlen, aber schlussendlich zahlt das der Konsument und die Konsumentin. Und hier ist die Frage, ob diese Bereitschaft vorhanden ist, mehr für ein Produkt zu zahlen.» Die Rahmenbedingungen insgesamt müssten geändert werden, zum Beispiel bei der Kinderbetreuung oder der Besteuerung, so der Zürcher. «Es braucht die Individualbesteuerung.»

UNO-Bericht zeigt Ungleichheit zwischen Geschlechtern

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Ein neuer UNO-Bericht stellt wachsende Armut unter Frauen und Mädchen fest und beklagt die anhaltende Ungleichheit zu Männern. «Unsere Daten zeigen nicht zu leugnende Rückschritte im Leben von Frauen», sagte Sima Bahous, Exekutivdirektorin von UNO Women. Verschlimmert hätten ihre Lage die weltweiten Krisen bei Einkommen, Sicherheit, Erziehung und Gesundheit.

Um bis 2030 das UNO-Nachhaltigkeitsziel zur Gleichberechtigung der Geschlechter zu erreichen, brauche es deutlich grössere Anstrengungen, sagte Bahous bei der Vorstellung des am Mittwoch veröffentlichten Reports «Gender Snapshot 2022».

Ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung würde die Lebensverhältnisse deutlich verbessern, betont der Bericht. Bei der aktuellen Geschwindigkeit, mit der diskriminierende Gesetze abgeschafft und Lücken im rechtlichen Schutz geschlossen werden, dauere es noch fast 300 Jahre, bis die Geschlechter gleichgestellt seien.

10vor10, 7.9.2022, 21:50 Uhr

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