- Ein heute 53-jähriger Mann wird vom Bezirksgericht Brugg wegen versuchten Mordes an seiner vierjährigen Tochter verurteilt.
- Der Mann hatte seine Tochter 2019 in einer Unterführung beim Bahnhof Brugg in aller Öffentlichkeit zweimal mit voller Wucht Kopf voran auf den Boden geschmettert und dabei schwer verletzt.
- Das Gericht verurteilt den Mann unter anderem zu einer Haftstrafe von 9 Jahren, einer ambulanten Massnahme und einem Landesverweis von 13 Jahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
- Obwohl das Gericht die Tat als versuchten Mord qualifiziert, bleibt es mit dem Strafmass deutlich unter den knapp 20 Jahren Haft, welche die Anklage gefordert hatte.
Der Fall hatte weit über Brugg hinaus für Schlagzeilen und Bestürzung gesorgt. Im Sommer 2019 schleuderte ein Mann im Zuge eines Streites mit seiner Ehefrau seine vierjährige Tochter mit voller Wucht Kopf voran auf den Boden, hob sie erneut in die Höhe und wiederholte die grausame Tat, in aller Öffentlichkeit in der Brugger Bahnhofsunterführung, vor den Augen zahlreicher Zeuginnen und Zeugen. Das Mädchen wurde durch den Angriff schwer verletzt, es erlitt Schädelbrüche und ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.
Diese Woche stand der Mann vor dem Bezirksgericht Brugg, das die Verhandlung wegen des grossen öffentlichen Interesses in der Einsatzzentrale der Kantonspolizei in Schafisheim abhielt. Die Aargauer Staatsanwaltschaft verlangte wegen versuchten Mordes eine Freiheitsstrafe von knapp 20 Jahren. Die Verteidigung plädierte auf 3.5 Jahre Gefängnis wegen schwerer Körperverletzung.
Wer im Lauf des Prozesses Antworten zum Motiv erwartete, wie und warum ein Vater zu einer solchen Gewalttat fähig ist, wurde enttäuscht. Der Beschuldigte äusserte sich nicht zur Tat und verweigerte bei fast allen Fragen des Gerichtes die Aussage. Klar wurde am Prozess hingegen die Brutalität des Verbrechens. In Videoaufnahmen war zu sehen, wie wuchtig der Mann das kleine Mädchen zu Boden schleuderte. Zeugen sagten aus, wie sie Knochen knacken hörten .
Strafmass blieb deutlich unter Forderung der Anklage
Bei der Begründung des Urteils wählte der Gerichtspräsident deutliche Worte. Die Tat sei unerklärlich, brachial und feige. Sie richte sich gegen das schwächste Mitglied der Familie und sie sei keineswegs einfach geschehen. «Sie haben das gemacht», sagte der Gerichtspräsident an die Adresse des Täters.
Das Gericht sieht es angesichts der Brutalität als erwiesen an, dass der Mann seine Tochter töten wollte, weswegen die Tat als versuchter Mord zu werten sei. Dass das Strafmass mit 9 Jahren Freiheitsentzug deutlich unter den 20 Jahren liegt, welche die Staatsanwaltschaft gefordert hatte, begründet das Gericht unter anderem damit, dass der Tatbestand der schweren Körperverletzung nicht erfüllt sei. Es habe trotz des brutalen Vorgehens des Mannes aus «unfassbarem Glück» nie eine unmittelbare Lebensgefahr bestanden, deshalb sahen die Richterinnen und Richter nur eine einfache Körperverletzung als gegeben.
Neben der Gefängnisstrafe ordnete das Gericht eine ambulante Therapie an und es verwies den Täter im Anschluss an die Strafe für 13 Jahre aus der Schweiz und dem gesamten Schengenraum. Ausserdem sprach das Gericht eine Genugtuung von 25'000 Franken für die Tochter und 10'000 Franken für die Mutter. Das Urteil kann noch ans Aargauer Obergericht weitergezogen werden.