Worum geht es? Am Dienstag berät der Nationalrat über lockerere Regeln beim Export von Kriegsmaterial. Zum Beispiel sollen 25 westliche Staaten grundsätzlich selbst dann in der Schweiz Rüstungsgüter kaufen können, wenn sie sich in einem Konflikt befinden. Auch die Regeln für die Weitergabe von in der Schweiz gekauftem Kriegsgerät würden deutlich gelockert. In beiden Fällen aber hätte der Bundesrat ein Vetorecht. Die Lockerung wirft Fragen auf – zur Neutralität und zur genauen Umsetzung.
Kriegsmaterial an Konfliktstaaten – wie verträgt sich das mit der Neutralität? Die Lockerung zielt auf Nato-Mitglieder. Sie sollen selbst dann beliefert werden können, wenn die Nato den Bündnisfall ausgerufen hat – wenn also ein Nato-Staat angegriffen wurde.
Gespräche mit Vertretern der Rüstungsindustrie, der Bundesverwaltung und der Politik zeigen folgendes Bild: Waffenlieferungen direkt für die Verwendung im Konflikt würden auch mit der Lockerung verboten bleiben – aber nicht automatisch. Der Bundesrat müsste gestützt auf das Neutralitätsrecht eingreifen und von seinem Vetorecht Gebrauch machen. Erlaubt wären aber Lieferungen, wenn das Zielland zwar militärisch in einen Nato-Konflikt involviert wäre, das gekaufte Rüstungsmaterial aber nicht im Konflikt einsetzen würde. Ein theoretisches Beispiel: Deutschland dürfte Schweizer Luftabwehrsysteme für den Gebrauch auf seinem Territorium auch dann kaufen, wenn es im Baltikum Krieg gegen Russland führen würde.
Wie heikel wären die Abwägungen? Der Bundesrat müsste viele Einzelfall-Entscheide treffen. Welche Praxis er genau festlegen würde, ist völlig unklar. Genau dies sieht Evelyne Schmid, Professorin für Völkerrecht an der Universität Lausanne, kritisch: Der Ermessensspielraum für den Bundesrat wäre gross, so Schmid. Genau das sei neutralitätsrechtlich schwierig. Denn ein neutrales Land müsse alle Staaten gleich behandeln.
Wie wirkt sich die Lockerung bei der Waffenweitergabe aus? Heute verlangt die Schweiz von Käuferländern eine Garantie: Diese dürfen das gekaufte Rüstungsmaterial nur mit der Zustimmung der Schweiz weiterreichen. Neu wären alle Staaten im Grundsatz frei bei der Weitergabe. Der Bundesrat könnte aber im Einzelfall aus neutralitäts-, sicherheits- oder aussenpolitischen Gründen eine Garantie verlangen. Linke Politikerinnen kritisieren, dass mit dieser Lockerung Schweizer Kriegsmaterial an Terrorgruppen und Unrechtsregimes gelangen könnte. Auch Völkerrechtsprofessorin Schmid teilt die Befürchtung und nennt das Beispiel Grossbritannien: Das Land habe Waffen an die Vereinigten Arabischen Emirate weitergegeben. Diese seien im Sudan gelandet.
Welche Chancen haben die Lockerungen? Die Sicherheitspolitikerinnen und -politiker sämtlicher bürgerlicher Parteien sind dafür. Eine Mehrheit im Nationalrat steht so gut wie fest. Im Ständerat dürfte es knapper werden. SP, Grüne und weitere Organisationen haben bereits das Referendum angekündigt. Insbesondere die SP stemmt sich nicht gegen Lockerungen – allerdings nur, wenn diese der Ukraine helfen würden. Genau das ist mit diesen Lockerungen hingegen nicht der Fall.