Zum Inhalt springen

Gletscher-Initiative und Co. Wenn der Abstimmungskampf zum Dauerzustand wird

  • Die Gletscher-Initiative war gestern und ist auch heute eines der grossen Themen im Nationalrat.
  • Die Initiative verlangt das Netto-Null-Ziel bis 2050: Spätestens bis dann muss die Schweiz klimaneutral sein. Fossile Brenn- und Treibstoffe sollen ab 2050 verboten sein.
  • Fest steht bereits jetzt: Die Initiantinnen und Initianten der Gletscher-Initiative haben die Kampagne schon vor Jahren gestartet – und folgen damit einem Trend.

Ist eine Volksinitiative erst einmal eingereicht, legt sich der Lärm oft ein bisschen. Bis spätestens einige Wochen vor der Abstimmung die Kampagne gestartet wird. So war das früher meist. Von einer Aufmerksamkeitsbaisse spricht die Politologin Cloé Jans vom Forschungsinstitut gfs.bern: «Früher war es so, dass dann um das Anliegen weitgehend Ruhe geherrscht hat.»

Heute aber nutze man auch diese Zeit gezielt aus, indem man die eigene Community bewirtschafte und stets mit Informationen versorge, erklärt Jans: «So stellt man sicher, dass das Thema auf der politischen Agenda bleibt.»

Gletscher-Initiative seit Jahren sichtbar

Ein Anschauungsbeispiel dafür liefert derzeit die Gletscher-Initiative. Der vielleicht sichtbarste Ausdruck davon sind die bunten Fahnen, die teils seit Jahren an Balkongeländern und Vorgartenzäunen hängen. Ähnlich Flagge zeigten zuletzt die Anhängerinnen und Anhänger der Konzernverantwortungsinitiative. «Sie hat hier auf eine gewisse Art einen neuen Standard geschaffen», sagt Jans.

Die Gletscher-Initiative: Darum geht es

Box aufklappen Box zuklappen

Das fordert die Initiative: Die Initiative «Für ein gesundes Klima» (Gletscher-Initiative) verlangt, dass die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen soll als natürliche und technische CO₂-Speicher aufnehmen können. Auch sollen ab diesem Zeitpunkt in der Schweiz grundsätzlich keine fossilen Brenn- und Treibstoffe (Öl, Gas, Benzin oder Diesel) mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Ausnahmen sind möglich bei Anwendungen, für die es keine technischen Alternativen gibt.

Das schlägt der Bundesrat vor: Die Initiative geht ihm zu weit. Er beantragt dem Parlament einen direkten Gegenentwurf. Dieser sieht auch Netto-Null CO₂-Emissionen bis 2050 vor. Der Bundesrat verzichtet darin aber auf ein grundsätzliches Verbot fossiler Energieträger. Er will zudem, dass neben der Sozialverträglichkeit der Klimapolitik auch die spezielle Situation der Berg- und Randgebiete berücksichtigt werden. Denn diese seien mit dem öffentlichen Verkehr schlechter erschlossen als städtischere Gebiete.

Der Gegenentwurf hält in einem neuen Verfassungsartikel überdies fest, dass die nationale Sicherheit nicht negativ beeinträchtigt werden dürfe: Armee, Polizei und Rettungsdienste sollen bei Bedarf auf fossile Treibstoffe zurückgreifen können.

Das ist der aktuelle Stand: Der Nationalrat debattierte als Erstrat über die Gletscher-Initiative. Schon seine vorberatende Kommission empfahl sie zur Ablehnung, hat aber mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung entschieden, dem Begehren bis zur Sommersession 2022 einen indirekten Gegenentwurf gegenüberzustellen. Diese Kommissionsinitiative will die Kernanliegen der Gletscher-Initiative im CO₂-Gesetz konkretisieren. Der Weg über eine Gesetzesrevision sei rascher umsetzbar als jener über eine Verfassungsrevision, so die Begründung.

Auch der indirekte Gegenentwurf hat das Ziel von Netto-Null Treibhausgasemissionen bis 2050, formuliert aber kein Verbot fossiler Energieträger. Dafür soll gesetzlich verankert werden, dass der Verbrauch von fossilen Treib- und Brennstoffen so weit zu vermindern sei, wie dies technisch möglich und wirtschaftlich tragbar ist.

Eine professionelle Organisation, die das Thema ihrer Initiative über mehrere Jahre hinweg bearbeitet und dabei die Möglichkeiten im digitalen Raum ausschöpft: Das könne tatsächlich ein Rezept für künftige Initiativen sein, sagt Jans.

Umweltthemen ohnehin stark präsent

Allerdings würden Konzernverantwortungs- wie auch Gletscher-Initiative thematisch gerade da andocken, wo sich ohnehin bereits viele Leute Gedanken machten: «Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen sind extrem präsent in der Sorgenlandschaft der Schweizer Bevölkerung. Darum sind sie fast schon ein Selbstläufer, wenn es darum geht, in der öffentlichen Wahrnehmung hoch angesiedelt zu sein.»

Im Fall der Gletscher-Initiative ist jetzt das Parlament am Zug.

Heute Morgen, 03.03.2022, 6 Uhr

Meistgelesene Artikel