Sie sprengen Meter für Meter Granit, Schiefer und Gneis. Oft schaffen die Mineure im Gotthardmassiv nur zwei Meter in 16 Stunden. Denn viele Stollen bewältigen nicht Tunnelbohrmaschinen, sondern die Mineure mit Sprengstoff. SRF hat die Mineure einen Tag lang untertags begleitet.
Obwohl das Innere des Gotthardmassivs gut erforscht ist, gibt es immer wieder Überraschungen, sagt Bauleiter Stefan Wyss von Marti Tunnelbau. Er leitet den Sprengvortrieb am Südportal. Zurzeit sprengen die Tunnelmineure im Drei-Schicht-Betrieb Lüftungsstollen für die Frischluftzufuhr sowie die Abfuhr der Abluft.
Neun von zehn Sprengungen klappen
Michele Fomasi überwacht als Chef-Polier die Arbeit im Massiv. Er schwitzt trotz gekühlter Frischluftzufuhr. Mit seinen Stiefeln stapft er in der Pfütze vor der sieben Meter hohen Brüstung. Während er die roten Sprengladungen mit gelben Zündkabeln in die vorgebohrten Löcher verteilt, schieben zwei Kollegen die Ladungen mithilfe einer Art Wasserschlauch tiefer in den Berg.
-
Bild 1 von 4. Chef-Polier Michele Fomasi hat bereits über 300 Mal gesprengt. Bildquelle: SRF / Marcel Niedermann.
-
Bild 2 von 4. Die 58 Sprengladungen werden nach einem Sprengschema gesetzt. Bildquelle: SRF / Marcel Niedermann.
-
Bild 3 von 4. Von innen nach aussen: Nach diesem Muster wird gesprengt. Bildquelle: SRF / Marcel Niedermann.
-
Bild 4 von 4. Neun von zehn Sprengungen klappen wie gewünscht. Bildquelle: SRF / Marcel Niedermann.
58 Ladungen sind es bei dieser Sprengung. Das Ziel: Zwei Meter vorwärtskommen. «Es ist viel Arbeit für zwei Meter, aber letztlich ist es schön.» Ein Computerprogramm berechnet, wie das Gestein in sich zusammenfallen soll. «In neun von zehn Fällen klappt die Sprengung wie erwünscht,» sagt Bauleiter Stefan Wyss stolz. «Eine gute Quote.»
«Wie Gschänkli auspacken»
Kurz nach dem elektronischen Signalhorn drückt Michele Fomasi den Auslöser. Acht Sekunden bebt der Berg. Langsam rückt das Gemisch aus Steinstaub und Verbrennungsgasen im Stollen vor und nimmt Michele Fomasi die Sicht. Er setzt die Atemmaske auf, um den Geruch von Schiesspulver und Ammoniak ein wenig zu filtern und macht sich auf zum Abschlag.
-
Bild 1 von 3. Chefpolier Michele Fomasi untersucht das «Haufwerk». Bildquelle: SRF / Marcel Niedermann.
-
Bild 2 von 3. Die Sprengung wird am Computer geplant, aber von Hand ausgeführt. Bildquelle: SRF / Marcel Niedermann.
-
Bild 3 von 3. Nach der Sprengung werden Brüstung und Tunnelwand verstärkt. Bildquelle: SRF / Marcel Niedermann.
Nach vielen Stunden der Vorbereitung kann es für den Mineur, der jeden Handgriff mit Bedacht ausübt, kaum schnell genug gehen. «Das Profil ist perfekt, das Material auch», urteilt er. Vor der Wand, dem Tunnelende, liegen in gleichmässigen Stücken pflastersteingrosse Felsbrocken, als ob ein Bulldozer diese ausgekippt hätte. Bauleiter Stefan Wyss’ Gesicht erhellt sich, als er den Ausbruch sieht. «Jede Sprengung ist für den Mineur, wie wenn er ein «Gschänkli» auspacken würde», sagt er.
Dem Berg ein Geheimnis abringen
Rund 400 Sprengungen, schätzt Michele Fomasi, habe er in seiner Berufskarriere gemacht. Trotzdem sei es jedes Mal ein besonderer Moment, wenn er sich das Ergebnis der Sprengung anschaue.
Er nimmt die Steine in die Hand, die Hunderte Millionen von Jahren im Berg verborgen waren und betrachtet die golden funkelnden Pyritmineralien. Das Narrengold, manchmal auch Kristalle, die der Berg freigibt, faszinieren ihn. Er hält einen kurzen Moment inne, bevor der Maschinenlärm wieder einsetzt und die nächste Sprengung vorbereitet wird.