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Güsel-Ärger in Zürich Stadt Zürich schafft Gratis-Entsorgung für Sperrmüll ab

In Zukunft soll die Stadtzürcher Bevölkerung für die Entsorgung des Sperrmülls bezahlen. Das sorgt für Unverständnis.

Jedes Jahr stellt die Stadt Zürich kostenlose Coupons zur Verfügung. Damit kann jede Stadtzürcherin, jeder Stadtzürcher, alte Sofas, Regale, Matratzen und dergleichen gratis und franko in den städtischen Recyclinghöfen entsorgen, ganze 400 Kilogramm.

Eine solch grosszügige Regelung kennt keine andere Deutschschweizer Stadt. Und auch in Zürich ist es damit bald vorbei – wenn es nach der Stadtregierung geht.

Das gilt in anderen Städten

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  • Bern: kostenpflichtig, Entsorgungshöfe oder Abholdienst
  • Basel: Bis Ende 2024 zwei Gratis-Vignetten für Sperrgut im Umfang von je 10 Kilogramm
  • Luzern: kostenpflichtige Sperrgutmarken, Extra-Abfuhren (zum Beispiel Wohnungsräumungen) nach Aufwand
  • St. Gallen: Nur kostenpflichtig, mit Sperrgutmarken oder in Entsorgungszentren

Von jetzt an sollen die Zürcherinnen und Zürcher ihr Sperrgut im Quartier entsorgen. Zum Beispiel im Cargo-Tram oder in einer mobilen Entsorgungsstelle. Zu Fuss. Das ist immer noch gratis, bringt aber andere Probleme mit sich. Alternativ können sie den Abholdienst der städtischen Müllabfuhr bestellen, der den Aufwand nach Zeit verrechnet. Oder wie bis anhin einen der zwei städtischen Recyclinghöfe aufsuchen, aber neu fürs Entsorgen bezahlen.

Gegen diese Änderungen wehren sich in der Stadt Zürich Parteien von links bis rechts, sie haben bereits Vorstösse eingereicht. Und es führt auch in der Bevölkerung zu Unmut.

Ein Mann entsorgt eine alte Matratze
Legende: Mit dem Auto vorfahren und weg mit dem Plunder – ohne zu bezahlen: Zürcherinnen und Zürcher waren bis jetzt in dieser Hinsicht verwöhnt. Keystone/Walter Bieri

«Das isch en Seich», «nöd grad der Hit», «find i nöd guet», geben Zürcherinnen und Zürcher bei einer kleinen Umfrage unisono zu Protokoll.

«Gut gemeint ist selten gut», sagt auch Christian Häberli von der Alternativen Liste. Für die linke Partei ist klar, die Stadt ist übers Ziel hinausgeschossen. Einrichtungen wie Cargotrams seien keine Alternative für Personen, die einen Zügeltermin wahrnehmen müssten. «Denn die Trams sind nur zu ganz bestimmten Zeiten im Quartier.»

Wie soll ich ein altes Sofa zu Fuss entsorgen?
Autor: Johann Widmer Gemeinderat SVP

Und auch FDP und SVP kritisieren das Vorgehen der Stadt als nicht durchdacht. Denn die Entsorgungsangebote in den Quartieren, die nach wie vor gratis sind, dürfen nur ohne Auto benutzt werden. «Wie bringe ich zum Beispiel ein altes Sofa zu Fuss zu diesen Entsorgungsstellen?», fragt Johann Widmer von der SVP. Der Preis des kostenpflichtigen Abholdiensts sei ausserdem «deutlich überhöht», moniert die FDP. Sie fordert «einen zeitgemässen und erschwinglichen Sperrgutservice».

Geringverdiener können sich das nicht leisten.
Autor: Christian Häberli Gemeinderat AL

Tatsächlich beträgt der Stundentarif bei Abholung über 300 Franken, wie die AL ausgerechnet hat. «Menschen mit einem geringen Einkommen werden sich das nicht leisten können.» Alle Parteien gehen davon aus, dass deshalb zukünftig wieder mehr illegal entsorgt wird. Sie kritisieren den Abbau einer altbewährten Dienstleistung und fordern den Stadtrat auf, die Entsorgungs-Coupons weiterhin abzugeben. Im Fall der FDP zumindest so lange, bis ein «praktikables Ersatzangebot» geschaffen sei.

Sperrgut auf einem Handwagen
Legende: Ab Mai 2025 wird auch in Zürich zur Kasse gebeten: In den beiden Recyclinghöfen Looächer und Werdhölzli werden pro 100 Kilogramm Sperrgut um die 20 Franken verlangt. Keystone/Peter Bieri

Die Zürcher Stadtverwaltung hingegen preist die Änderung im Sperrgut-Regime als Ausbau an: «Wir haben schon lange die Entsorgungstrams, neu jetzt auch noch einen mobilen Recyclinghof mit unterdessen 18 Standorten», erklärt Tobias Nussbaum, Mediensprecher von Entsorgung und Recycling Zürich ERZ.

An diesen Stellen kann die Bevölkerung alles gratis entsorgen – aber eben: Sie muss es zu Fuss tun, mit einem Cargo-Velo oder mit einem Handwagen, der vor Ort kostenlos ausgeliehen werden kann. Immerhin: Die Stadt hat schon angekündigt, dass die Entsorgungsgebühren für Menschen mit einem Gebrechen nicht so hoch sein sollen. Sie sucht zurzeit nach Lösungen.

Auch sonst ist das letzte Wort in dieser Güsel-Kontroverse noch nicht gesprochen: Als Nächstes wird sich das Zürcher Stadtparlament mit drei Vorstössen befassen.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 6.9.2024, 06:32 Uhr ; 

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