Die CVP ist zwar enttäuscht über das knappe Nein zur ihrer Initiative gegen die Heiratsstrafe. Trotzdem wertet sie das Resultat als Erfolg: Das klare Ständemehr sei «ein klares Zeichen für die gemeinsame Besteuerung von eingetragenen und verheirateten Paaren».
Der Auftrag an den Bundesrat bleibe also bestehen: Die Heiratsstrafe müsse abgeschafft werden. Die CVP werde sich zudem gegen die «willkürliche Plafonierung» der Renten stark machen.
Auch Bundesrat bekräftigt Reformbedarf
Auch CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler bezeichnete das Resultat als Erfolg für ihre Partei. Denn die CVP habe im Abstimmungskampf als einzige Partei mobilisiert. Nur die Städte hätten die Initiative abgelehnt, weil dort die Diskussion über den Ehebegriff im Zentrum gestanden sei. Dass die Initiative nur wegen der Unterstützung der evangelischen und kirchlich-konservativen Kreise zu Stande kam, weist Glanzmann-Hunkeler zurück. Viele Menschen hätten das Gefühl gehabt, dass eine Benachteiligung existiere.
Auch der Bundesrat sieht hier Handlungsbedarf, wie Finanzdepartements-Vorsteher Ueli Maurer sagte. Der Bund stehe unverändert in der Pflicht, eine verfassungskonforme Ehepaar-Besteuerung zu erwirken.
Er werde nun die Arbeiten für eine Reform an die Hand nehmen und dabei das Ergebnis der Abstimmung berücksichtigen. In welche Richtung die Reform gehen soll, sagte Maurer nicht.
Gegner: Volk hat «Etikettenschwindel durchschaut»
Erfreut über das Abstimmungsresultat der Vorlage zeigt sich das Komitee «Nein zur rückständigen CVP-Ehe-Initiative, dem SP, FDP, Grüne, Grünliberale, BDP sowie Pro Aequalitate und die Operation Libero angehören: Man sei erleichtert, dass die Stimmbürger und Stimmbürgerinnen den «Etikettenschwindel durchschaut» hätten: «Uns bleiben ein Milliardenloch in der Bundeskasse, ein gesellschaftspolitischer Rückschritt und ein Modellverbot in der Verfassung erspart», so das Komitee in einer Mitteilung.
Ebenfalls erleichtert zeigen sich Schwulen- und Lesbenorganisationen. Bastian Baumann von der Schwulenorganisation Pink Cross sagt, vor allem in urbanen Gebieten habe die Mobilisierung gegen die Initiative gut funktioniert. «Das Volk hat die Mogelpackung erkannt.»
Aus Sicht der Lesbenorganisation Schweiz (LOS) zeigt der heutige Entscheid, dass die Bevölkerung für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung einstehe. Nun sei es an der Zeit, den Zugang zu Ehe und eingetragener Partnerschaft für alle zu ermöglichen, schreibt die Organisation in einer Mitteilung.
Hat Individualbesteuerung eine Chance?
Auch aufseiten der Gegner der Vorlage herrscht aber Einigkeit, dass die «ungerechte Besteuerung» abgeschafft werden muss. Doch wie eine Lösung aussehen könnte ist umstritten. Für den Basler SP-Nationalrat Beat Jans vom überparteilichen Nein-Komitee liegt der Ball nun bei SP, FDP, Grünen und GLP. Diese müssten sich im Parlament einig werden. «Auf jeden Fall geht es in Richtung Individualbesteuerung», sagte Jans.
Gemäss Jans herrscht Einigkeit, dass ein gerechteres Steuersystem nötig ist. «Aber eine Lösung ist schwierig zu erreichen». Das grösste Hindernis seien die schlechten Aussichten der Bundesfinanzen. Trotzdem hofft er, dass bis in einem Jahr ein Vorschlag zur Diskussion vorliegen wird.
Ganz anders sehen das die Abstimmungsverlierer. CVP-Präsident Christophe Darbellay sagte zu SRF, das Ständemehr sei ein klares Bekenntnis von 20 Kantonen gegen die Individualbesteuerung. «Das Schweizer Stimmvolk hat dem Bundesrat und dem Parlament ein starkes Signal gegeben, der Diskriminierung ein Ende zu setzen.»