Im Kanton Zürich gucken dieses Wochenende Tausende in die Röhre. Fast 11'000 Personen haben sich angemeldet, um durch den neuen Sihl-Hochwasser-Entlastungsstollen wandern zu können. Eine einmalige Gelegenheit, denn der Stollen wird danach nie mehr öffentlich zugänglich sein.
Auf der Wanderung durch das Mega-Bauwerk können die Besucherinnen und Besucher die gesamte Stollenröhre vom Eingang an der Sihl bei Langnau am Albis bis zum Ende in Thalwil am Zürichsee durchlaufen – auf gerader Linie, mitten durch den Zimmerberg.
Die Anzahl Personen, die gleichzeitig durch den Stollen laufen können, ist aus Sicherheitsgründen beschränkt. «Alle sechs Sekunden lassen wir eine Person in den Tunnel», sagt Adrian Stucki, Projektleiter beim Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel).
«Wir haben sehr viele Sicherheitsvorkehrungen getroffen», sagt Stucki weiter. Auf beiden Seiten des Stollens sei die Ambulanz präsent, in der Tunnelmitte sei ein Sanitätsposten aufgestellt worden. Falls trotzdem etwas passiere, müsse man den Tunnel vielleicht kurzfristig sperren.
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Bild 1 von 3. Bei extremem Hochwasser wird das Wasser der Sihl in den Stollen umgeleitet... Bildquelle: ZVG / Baudirektion Kanton Zürich.
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Bild 2 von 3. ...und gelangt unter dem Zimmerberg hindurch bei Thalwil in den Zürichsee. Bildquelle: ZVG / Baudirektion Kanton Zürich.
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Bild 3 von 3. Der Entlastungsstollen ist rund zwei Kilometer lang und wird im nächsten Jahr eröffnet. Bildquelle: ZVG / Baudirektion Kanton Zürich.
Alle Gratis-Tickets für die rund 30-minütige Wanderung am 23. und am 24. August sind bereits vergriffen. Eine kleine Anzahl Plätze wird noch vor Ort vergeben, eine Teilnahme garantiert die Baudirektion aber nicht.
Schadenpotenzial von mehreren Milliarden
Auch ohne Wanderung kann sich die Bevölkerung am Samstag und am Sonntag ein Bild machen vom – wie es Regierungsrat Martin Neukom gerne betont – «Jahrhundertbauwerk». An zahlreichen Infoständen erfahren die Leute, wieso es den Stollen braucht, wie er gebaut wird und wie er funktioniert.
Der Stollen ist nötig bei einem Extremhochwasser. In diesem Fall würde das Hochwasser der Sihl durch den Stollen hindurch in den Zürichsee abgeleitet. Der Pegel des Zürichsees würde sich so nur marginal verändern, die Stadt Zürich würde von verheerenden Überschwemmungen verschont.
Das Ausmass einer solchen Hochwasser-Katastrophe in Zürich wäre enorm. So gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass Schäden von über sechs Milliarden Franken entstehen würden, sollte die Sihl im Zentrum von Zürich über die Ufer treten.
Vor zwanzig Jahren wäre ein solches Extremhochwasser beinahe eingetreten. Aufgrund heftiger Niederschläge stieg der Pegel der Sihl damals an. Wäre das Unwetterzentrum über Zürich und nicht über dem Kanton Bern gelegen, hätte die Sihl die Innenstadt und den Hauptbahnhof geflutet.
175 Millionen Franken im Kampf gegen das Hochwasser
Aktuell ist geplant, dass ab der zweiten Jahreshälfte 2026 der Hochwasser-Entlastungsstollen die Stadt Zürich und das untere Sihltal vor verheerenden Überschwemmungen schützen wird. Das Schlimmste, was aktuell passieren könnte, seien Verzögerungen bei den Bauwerken an den beiden Tunnelportalen, sagt Adrian Stucki vom Awel. Dies würde den Betrieb verzögern.
175 Millionen Franken hat das Bauwerk den Kanton Zürich gekostet. Eine stolze Summe, sagt auch Zürichs Baudirektor Martin Neukom, aber es sei gut investiertes Geld – gerade mit Blick auf das milliardenhohe Schadenpotenzial der Unwetter.