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Im Land der Taliban Die humanitäre Schweiz ist zurück in Afghanistan

Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban führt die Schweiz wieder ein humanitäres Büro in Kabul. Der Leiter gibt Einblicke.

Eric Marclay trägt Brille, das ergraute Haar ist nach hinten gekämmt. Der 59-jährige Unterwalliser war für das Rote Kreuz schon auf der ganzen Welt im Einsatz. Dann vertrat er die Schweiz in konfliktreichen Ländern wie dem Sudan und der Zentralafrikanischen Republik.

Nun führt er in Kabul ein Team von fünf Schweizern und zehn Afghanen – unter letzteren auch drei Frauen. Die Situation für Frauen sei nicht einfach, gerade was die Bildung angehe, sagt Marclay. Dank Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen gelinge es dennoch, Hunderte, ja sogar Tausende Frauen zu erreichen.

Kooperationsbüro
Legende: Seit diesem Frühling ist die Schweiz wieder in Afghanistan präsent. Sie versucht auch Frauen zu helfen, denen der Zugang zu Bildung und zu vielen Berufen verweigert wird. Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza)

Zusammenarbeit ist Programm im humanitären Büro der Schweiz in Kabul. Das Budget von 25 Millionen Franken wird über Partner eingesetzt, darunter auch 141 Frauenorganisationen. Marclay nennt das Beispiel eines Projekts im Norden, das er besucht hat. Dort kämen Frauen in ein sogenanntes «Safe House».

Präsenz bedeutet keine Anerkennung der Taliban

«Im ersten Stock werden Teppiche und Kissen mit Stickereien produziert. Zudem gibt es Informatikkurse», führt Marclay aus. «Und im zweiten Stock hat es einen Safe Space. Dort können sich Frauen auch über Gewaltprobleme im Zusammenhang mit gewissen Traditionen oder über häusliche Gewalt austauschen.» Es gibt also auch psychosoziale Unterstützung.

Wir machen nichts Verstecktes.
Autor: Eric Marclay Leiter des Schweizer Kooperationsbüros in Kabul

Zusammenarbeit gilt für solche Hilfsprojekte wie das «Safe House», nicht aber mit den neuen Herrschern in Kabul. Dass die Schweiz mit einem humanitären Büro präsent sei, bedeute keine Anerkennung des Taliban-Regimes, erklärt Marclay: «Wir beschränken uns auf die Information. Wir machen transparent, dass wir mit nationalen und internationalen Organisationen wie etwa der UNO zusammenarbeiten. Wir machen also nichts Verstecktes.»

Das bedeute aber nicht, dass man mit den Taliban zusammenarbeite, stellt Marclay klar. Und diese Arbeit könne die Schweiz frei ausüben. Verbote oder Einschränkungen gebe es keine.

Eric Marclay
Legende: Diese Woche ist Eric Marclay, der Leiter des Kooperationsbüros in Kabul, zu Besuch in der Schweiz. Keystone / Peter Schneider

Das humanitäre Büro ist nicht die einzige Schnittstelle zur Schweizer Politik. Die Schweiz hat gegenüber Afghanistan auch Interessen in der Migration. So wurde im vergangenen Jahr eine Handvoll straffällig gewordener Afghanen nach Kabul ausgeschafft. Zurzeit stockt es aber mit weiteren Rückführungen.

Ein Restaurantbesuch liegt nicht drin

Für Abklärungen waren vergangene Woche vier Beamte der Taliban-Regierung am Flughafen Genf zu Gast. Fragen zur Migrationspolitik beantwortet Marclay keine – er ist mit dem humanitären Büro auch in Kabul nicht in die Gespräche involviert.

Er hält aber fest, dass die Sicherheitslage im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten besser sei. So sei die Sicherheit ausreichend, damit er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Kabul und den Regionen ihrer Arbeit nachgehen könnten. Das humanitäre Büro wird aber nur für berufliche Termine verlassen. Restaurantbesuche liegen aus Sicherheitsgründen nicht drin.

Echo der Zeit, 26.8.2025, 18 Uhr; sten

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