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Implantate-Skandal Wie können Patienten sich wehren?

Auch in der Schweiz ist mindestens eine Patientin vom Implantate-Skandal betroffen. Für Patienten sei es ganz generell oft schwierig, sich erfolgreich zu wehren, sagt ein Schadenanwalt. Er fordert rechtliche Anpassungen.

In den letzten Tagen sorgten die «Implant Files»-Recherchen für Schlagzeilen, namentlich zur Bandscheibenprothese Cadisc-L. Auch der Chirurg Max Aebi setzte die Prothese bei sieben Patienten hierzulande ein – und zwar am Salem-Spital in Bern, das Teil der Hirslanden-Gruppe ist. Eine Patientin Aebis berichtete, dass sich das Implantat im Rücken zersetzte.

Der renommierte Schadenanwalt Kurt Meier bezieht Stellung zum Fall: «Gemäss dem, was ich gehört habe, würde ich entsprechend meinem Kenntnisstand von einer schweren Körperverletzung ausgehen. Nach den Medienberichten müsste ein Staatsanwalt eigentlich sagen: ‹Aha. Da liegt ein Straffall vor. Da muss ich eine Strafuntersuchung eröffnen.›»

Mit dieser Aussage konfrontiert, verweist der Anwalt von Max Aebi auf die unabhängige Untersuchung, welche die Hirslanden-Gruppe eingeleitet hat: «Bis zu deren Abschluss wird Herr Aebi sich zum Thema nicht öffentlich äussern.»

Schwer gangbarer Rechtsweg

Gemäss Rechtsanwalt Meier können sich Betroffene generell mehr schlecht denn recht wehren. Auch in einem zivilrechtlichen Verfahren sei es schwierig, gegen Ärzte erfolgreich vorzugehen, sagt er.

Erfolg habe man nur bei sehr klaren Fehlern. Zudem sei der Rechtsweg teuer: «Das kann sich jemand mit Rechtschutzversicherung leisten. Wer keine hat, kann sich das nur leisten, wenn er ganz viel Geld hat oder gar keines. Für alle dazwischen ist es kein gangbarer Weg.»

Beweislast umdrehen

Es seien rechtliche Anpassungen angezeigt, sagt Meier. Er schlägt vor, die Beweislast umzudrehen. Ein Arzt solle beweisen, dass er keinen Fehler gemacht hat.

Bei der Vereinigung der Schweizer Orthopäden hält man wenig von der Umkehr der Beweislast. Dies könnte zur Folge haben, dass Ärzte davor zurückschrecken, Risikopatienten zu operieren, sagt Präsident Claudio Dora.

Haftpflichtversicherung gefordert

Schadenanwalt Meier hat weitere Ideen, wie Patienten rechtlich gestärkt werden könnten: «Die Hersteller von Medizinprodukten sollten eine Haftpflichtversicherung abschliessen müssen.» So würden weniger unsichere Produkte verkauft und Patienten könnten im Schadenfall die Versicherung angehen.

«Dieser Ansatz würde die Einführung neuer Methoden verzögern», erwidert Hans-Peter Simmen, der am Universitätsspital Zürich Direktor der Unfallchirurgie war. «Zudem müssten Firmen ihre Produkte verteuern, um die Prämien zu finanzieren», sagt Simmen.

Kostenlose Prozesse?

Schliesslich bringt Meier eine dritte Forderung ins Spiel: Gerichtsprozesse müssten für Patienten kostenlos sein. Das kenne man aus dem Arbeitsrecht.

Diesen Vorschlag erachtet Orthopäden-Vertreter Claudio Dora zumindest als prüfenswert. Etwas anders sieht dies sein Arztkollege, der emeritierte Professor Hans-Peter Simmen: «Es wäre keine gute Idee, die Schwelle für Prozesse tief zu halten. Das würde Leute ermuntern, unberechtigterweise aus Frust zu prozessieren.»

Die Vorschläge des Schadenanwalts stossen bei Ärzten auf wenig Zuspruch. Entsprechende Reformen dürften also auf Widerstand stossen – wie oft im Gesundheitswesen mit seinen vielen Anspruchsgruppen.

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