Seit Jahrzehnten sinkt die Geburtenziffer in der Schweiz, die durchschnittliche Anzahl Kinder pro Frau. 2024 erreichte sie mit 1.29 einen neuen Tiefststand – und am tiefsten lag sie im Kanton Basel-Stadt mit 1.09 Kindern.
Gegen den Geburtenrückgang schlägt jetzt eine kantonale Volksinitiative markante Steuererleichterungen vor: Statt dem heutigen Abzug von 8900 Franken pro Kind soll man im Stadtkanton 35'000 Franken für das erste Kind vom Einkommen abziehen können, 15'000 für das zweite und je 10'000 für jedes weitere Kind.
Tiefere Steuern sollen helfen, Kinderkosten zu kompensieren. Vor allem, wenn beide arbeiten würden, reduziere oft ein Elternteil das Arbeitspensum, was Einnahmenverluste bedeute, sagt Emmanuel Ullmann. Der frühere GLP-Kantonsparlamentarier hat die Initiative nur mit Freunden statt Parteien oder Verbänden lanciert, um politische Widerstände zu vermeiden.
Unsere Gesellschaft ist auf Kinder angewiesen, darum ist das gut investiertes Geld.
Laut Ullmann würde die Initiative den Stadtkanton jährlich etwa 60 bis 70 Millionen Franken an Einnahmen kosten – seitens Behörden sind noch keine Zahlen erhältlich. «Das ist viel Geld, aber es braucht Massnahmen für mehr Kinder. Unsere Gesellschaft ist auf Kinder angewiesen, darum ist das gut investiertes Geld.»
Verhaltenes erstes Echo
Zur gerade erst lancierten Initiative haben die Parteien noch keine Positionen bezogen. Erste Einschätzungen von Mitgliedern des Kantonsparlaments fallen unterschiedlich aus: Für prüfenswert hält den Ansatz Andrea Strahm von der Mitte, weil Kinder Kosten bedeuteten, Wohnen in der Stadt ohnehin teuer sei und der Mittelstand keine Prämienverbilligungen bekomme. Der Kinderabzug sei keine Giesskannen-Massnahme.
Melanie Eberhard von der SP würde zwar eine Entlastung von Familien begrüssen, aber gezielter von Haushalten mit tiefen Einkommen. Ein Steuerabzug hingegen helfe just solchen wenig, da sie ohnehin kaum oder keine Steuern zahlten, womit Familien mit hohen Einkommen am meisten profitieren würden. Eberhard würde daher eher bei Prämienverbilligung, zahlbarem Wohnraum oder etwa Schullaptops ansetzen.
Der freisinnige Finanzpolitiker Luca Urgese hätte grundsätzlich lieber eine Senkung des Steuersatzes als eine Erhöhung von Abzügen, weil dann alle mehr Geld hätten, was für ihn gerechter wäre. Mit höheren Abzügen würden auch mehr Leute keine Steuern mehr bezahlen müssen, was ihm missfiele.
Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die tiefe Geburtenziffer in Basel-Stadt kein neues Phänomen ist. Seit Jahrzehnten ist der Stadtkanton fast immer Letzter im Land, wenig darüber Tessin und Graubünden.
Ein Aspekt dürfte der knappe und damit teure Wohnraum sein: Basel-Stadt besteht aus nur drei Gemeinden auf 37 Quadratkilometern. Allerdings stand Basel-Stadt schon 1981 exakt wie jetzt bei 1.09 Kindern pro Frau, legte dann aber bis 2016 zu auf 1.38.
Seiner Initiative vorausgeschickt hatte Ullmann übrigens eine Petition. Darin hatte er Abzüge von 30'000 für das erste Kind, 20'000 für das zweite und 10'000 ab dem dritten gefordert. Hinter diese Forderung hatten sich gemäss Website 164 Personen gestellt.