Nein, ganz gleich wie für die anderen Ratsmitglieder ist der Alltag für die drei Nationalräte im Rollstuhl nicht. Der Unterschied beginnt beim Zugang zum Bundeshaus: Die anderen Ständerätinnen und Nationalräte können das Gebäude selbstständig durch eine Drehtür betreten. Aber die gehbehinderten Nationalräte müssen beim Eingang klingeln und warten, bis der Sicherheitsdienst ihnen die Tür öffnet.
«Die Hilfe kommt jeweils prompt», sagt Islam Alijaj dazu. Und doch kämpft er dafür, dass auch Parlamentarier im Rollstuhl ohne Hilfe ins Parlament gelangen können. Alijaj hat seit Geburt eine Zerebralparese und benötigt deshalb einen Elektrorollstuhl.
Seit 2023 sind wir einen Schritt selbstständiger.
Seit seiner Wahl in den Nationalrat 2023 setzt sich der Zürcher SP-Politiker für Verbesserungen im Parlamentsgebäude ein – etwa zusätzliche Rampen. «Jetzt geht es rascher und wir sind einen Schritt selbstständiger», sagt Alijaj zufrieden.
Zahlreiche Verbesserungen
Christian Lohr pflichtet seinem Parlamentskollegen bei: «Die Richtung stimmt.» Als Folge einer Contergan-Schädigung kam der Thurgauer ohne Arme und mit einer Fehlbildung der Beine zur Welt.
Zu Beginn meiner Amtszeit im 2011 gab es noch keine Rampe, die zum Rednerpult führte.
Als er 2011 in den Nationalrat gewählt worden sei, habe es dort noch mehr Hindernisse für Rollstuhlfahrer gegeben. Doch über die Jahre habe er verschiedene bauliche Anpassungen anregen können. Der Mitte-Nationalrat erinnert sich: «Zu Beginn meiner Amtszeit gab es noch keine Rampe, die zum Rednerpult führte. Ich musste jeweils vor der Rednertribüne zum Rat sprechen.»
Vorher – nachher
Nach einem Skiunfall ist auch Philipp Kutter auf den Rollstuhl angewiesen. Der Zürcher Mitte-Nationalrat kennt also beides: wie es als Parlamentarier mit und ohne Rollstuhl ist. Gerade bei seiner Rückkehr ins Parlament nach dem Unfall hätten ihm die Mitarbeitenden der Parlamentsdienste sehr geholfen, sagt Kutter.
Heute könne er sein politisches Amt wieder praktisch reibungslos ausüben. Und doch müssten Parlamentarier im Rollstuhl gewisse Abstriche machen: «Vor dem Unfall war es für mich üblich, dass ich mich im Saal frei zwischen den Bankreihen bewegte. So konnte ich mich mit anderen Nationalrätinnen und -räten austauschen oder Unterschriften für meine Vorstösse sammeln.» Heute trifft er seine Ratskolleginnen und -kollegen ausserhalb des Saals zum Austausch.
Noch nicht am Ziel
2004 trat das Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft. Die drei Nationalräte im Rollstuhl sind sich einig, seither seien grosse Fortschritte erzielt worden. Heute hätten Menschen mit einer Behinderung eine höhere Sichtbarkeit im Parlament.
Und doch seien längst nicht alle Ziele erreicht, sagt SP-Nationalrat Islam Alijaj: «Erst wenn wir Menschen mit Behinderung wirklich überall mitentscheiden können, dann werden wir als Gesellschaft auch inklusiver. Und darum ist es so wichtig, dass wir auch im Bundeshaus präsent sind.» Deshalb wünscht sich Alijaj, dass noch mehr Menschen mit einer Behinderung ins Parlament gewählt werden.