Gut zwei Wochen mussten wir uns gedulden. Dann tritt ein Mann ins Sichtfeld der Überwachungskamera und schleift unser E-Bike davon. Das aufgebrochene Schloss liegt später hinter dem Haus. Was der Dieb nicht weiss: Das Velo der «Rundschau» ist mit GPS- und Bluetooth-Sendern versehen – ein Experiment, um zu sehen, wo gestohlene E-Bikes landen.
Velodiebe haben in der Schweiz Hochkonjunktur. Die Zahl der geklauten Räder ist in den letzten fünf Jahren um 50 Prozent gestiegen, immer mehr davon sind E-Bikes.
Grenzregion Basel besonders betroffen
2024 wurden schweizweit 54'308 Velos und E-Bikes als gestohlen gemeldet. Jedes neunte davon im Kanton Basel-Stadt. Gründe sind gemäss Polizei die hohe Anzahl Velos in der Stadt und die Nähe zur Grenze. Denn viele geklaute Velos werden nach Frankreich gebracht. «Die Menge der Velos, die gestohlen werden, ist mittlerweile so gross, dass wir davon ausgehen müssen, dass es sich nicht nur um Kleinkriminalität handelt, sondern es müssen eigentlich Strukturen dahinterstehen», sagt Christian Plüss, Verbindungsbeamter Schweiz-Frankreich von der Kantonspolizei Basel-Landschaft, in der «Rundschau».
Doch Frankreich ist nicht immer das Zielland. «Wir stellen fest, dass Velos, die nach Saint-Louis oder Mulhouse gehen, oft ein wenig dortbleiben», so Plüss weiter. «Dann werden sie oft weitergebracht. Primär in die Maghrebstaaten oder auf den Balkan.»
Drogendealer lassen sich in E-Bikes bezahlen
Ob auch der Diebstahl unseres Velos von einer organisierten Bande orchestriert wurde, bleibt unklar. Die Recherchen zu unserem Fall führen in die Basler Drogenszene. Mehrere suchtkranke Personen erzählen uns, dass sie E-Bikes stehlen, um ihren Konsum zu finanzieren.
Solche Beschaffungskriminalität ist nicht aussergewöhnlich. Speziell an der Situation in Basel ist wohl, dass sich Drogendealer anscheinend direkt in E-Bikes bezahlen lassen. Das bestätigen uns mehrere Suchtkranke unabhängig voneinander. Mehr noch: Dealer sollen auch E-Bike-Diebstähle in Auftrag geben. «Sie kommen auf die Gasse und fragen, ob es E-Bikes gibt», erzählt eine suchtkranke Person. «Dann gehen die Süchtigen mit Werkzeug los, brechen sie auf und verkaufen sie.» Für ein E-Bike im Wert von mehreren Tausend Franken würden die Süchtigen dann Drogen im Wert 100 bis 150 Franken erhalten.
Velo in Albanien wiedergefunden
Gut sechs Monate nach dem Diebstahl unseres E-Bikes in Basel erhalten wir ein neues Signal. Unser Velo wurde ins Ausland gebracht. Und zwar in den Kosovo. Kurz darauf wird es weiter nach Albanien verschoben. Dort finden wir es mithilfe der Behörden bei einer Privatperson. Die albanische Polizei stellt es sicher und eröffnet ein Verfahren wegen mutmasslichen Ankaufs von Diebesgut. Wie genau der Verkauf abgelaufen ist, können wir nicht rückverfolgen. Die Polizei gibt wegen des laufenden Verfahrens keine weiteren Informationen bekannt.
Dass gestohlene E-Bikes aus der Schweiz in Albanien landen, sei wohl ein eher neues Phänomen, sagt Artan Hoxha, Investigativjournalist und Kenner der albanischen Unterwelt. Solche vermeintlich kleinen Hehlerrouten dürfe man allerdings nicht unterschätzen. «Wenn es eine Gruppe schafft, E-Bikes von der Schweiz nach Albanien zu bringen, kann sie ohne Probleme auch andere Dinge transportieren, zum Beispiel Drogen.»