Drei Profi-Fussballspieler des Zürcher Grasshoppers-Club posieren mit einem islamistischen Influencer. Dieser bewegt sich in radikalen Kreisen und verbreitet ein so genannt toxisches Männerbild. Auf YouTube folgen ihm eine halbe Million Menschen. Markus Theunert erklärt, warum manche jungen Männer sich von einem derartigen Männerbild begeistern lassen. Die Bilder sind zwischenzeitlich nicht mehr auf Instragram.
SRF News: Wie kommen drei Profifussballer in der Schweiz dazu, sich mit einem Islamisten ablichten zu lassen?
Markus Theunert: Die Botschaft ist einfach und bestärkend. Nämlich: Männer sind das mächtigere Geschlecht. Männer dürfen Frauen dominieren, ja sogar Gewalt anwenden, um ihre Interessen durchzusetzen. Diese Aussagen stehen in einem scharfen Kontrast zu den Zielen der Gleichstellung und Frauenemanzipation, aber gerade deswegen sind sie attraktiv für verunsicherte Männer.
Wieso sind gewisse Männer in ihrer Männlichkeit verunsichert?
Wir haben einerseits nach wie vor die traditionellen Männlichkeitsimperative. Ein «richtiger» Mann, – richtig in Anführungszeichen – soll hart sein, durchsetzungsstark, souverän in jeder Lebenssituation alles unter Kontrolle haben. Diese Zuschreibungen werden zusehends gesellschaftlich problematisiert, Stichwort toxische Männlichkeit. Wir erkennen also als Gesellschaft zusehends, wie gesundheits- und gesellschaftsgefährdend diese Männlichkeitsanforderungen wirken.
Es ist eine Doppelbotschaft: Sei wie dein Vater und sei das pure Gegenteil davon. Das ist hochgradig verwirrend für erwachsene Männer, insbesondere für Jungen und junge Männer.
Diese Problematisierung traditioneller toxischer Männlichkeit führt dazu, dass wir von Männern verlangen, das Gegenteil dessen zu sein, was ihnen bislang immer gesagt wurde; also einfühlsam, respektvoll, auf keinen Fall übergriffig. Und diese Anforderungen passen nicht zusammen. Sei so wie dein Vater und sei das pure Gegenteil davon. Das ist eine Doppelbotschaft. Das ist hochgradig verwirrend für erwachsene Männer, insbesondere für Jungen und junge Männer.
«Kein Platz für Hassreden»
Warum spricht ein solches Rollenbild auch erfolgreiche Männer an?
Es ist ein Irrtum zu glauben, dass nur marginalisierte, bildungsferne Männer, Männer in sozioökonomisch prekären Milieus, empfänglich wären für Radikalisierung, für Ideen, welche auf einer Minderwertigkeit der Frau und einer Höherwertigkeit des Mannes beruhen. Diese patriarchalen Gedanken durchdringen unsere Gesellschaft. Natürlich haben wir mittlerweile eine kritische Distanz dazu. Das ändert aber nichts daran, dass sie trotzdem nach wie vor prägend sind in unserer Kultur, wenn auch weitgehend unterschwellig.
In der Biologie stellt man fest, dass die Idee, dass es nur Männer oder Frauen gibt – oder nur Männchen oder Weibchen bei Säugetieren – schlicht eine Konstruktion ist.
Was für eine Rolle spielen radikale religiöse Werte bei dem Männerbild, das ein islamistischer Influencer vermittelt?
In der Analyse männlichkeitsideologischer Radikalisierungsdynamiken sehen wir ein gemeinsames Fundament, das allen traditionell archaisch toxischen Männlichkeitsvorstellungen gemein ist. Vorstellungen einer natürlichen Geschlechterordnung mit dem Mann als dominanten Part weiterzugeben, das ist nicht etwas, was exklusiv auf den Islam zutreffen würde. Das ist etwas, was wir in sehr vielen Religionen – man denke beispielsweise an die katholische Kirche – wiederfinden. Doch diese Vorstellung einer natürlichen oder göttlichen Gegebenheit von Geschlecht ist wissenschaftlich nicht haltbar, das muss man klar sagen. In der Biologie stellt man fest, dass die Idee, dass es nur Männer oder Frauen gibt – oder nur Männchen oder Weibchen bei Säugetieren – schlicht eine Konstruktion ist.
Das Gespräch führte Nicoletta Gueorguiev.