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Ist Trinkgeld Schwarzgeld? Aufregung in der Gastroszene: Trinkgeld soll versteuert werden

Arbeitsrechtler Thomas Geiser stellt eine brisante Forderung: Trinkgeld müsse wie Lohn abgerechnet und versteuert werden. Damit sticht er in der Gastroszene in ein Wespennest.

Trinkgeld fliesst reichlich in der Schweiz. Der Bund schätzt eine immense Summe: Bis zu einer Milliarde Franken pro Jahr. Wie viel genau, weiss aber niemand. Doch weil immer mehr Gäste mit Karte zahlen, wird Trinkgeld plötzlich sichtbar. «Es ist jetzt sichtbares Schwarzgeld», sagt der renommierte Arbeitsrechtler Thomas Geiser gegenüber der SRF-Rundschau.

Geiser macht eine brisante Aussage: Im Gesetz stehe, dass Trinkgeld wie Lohn behandelt werden müsse. Nur wenn Trinkgeld vernachlässigbar wäre, dürfe es direkt ins Portemonnaie der Angestellten fliessen. Alles andere sei illegal, sagt der emeritierte Professor für Arbeitsrecht der Universität Sankt Gallen. Mit der Kartenzahlung könnten Arbeitgeber nicht mehr behaupten, nicht zu wissen, wie viel Trinkgeld fliesse.

Vom Trinkgeld müssten deshalb laut Geiser Beiträge an die Sozialversicherung wie die AHV abgezogen werden. Auch die Arbeitgeber müssten aufs Trinkgeld wie auf Lohn diese Abgaben zahlen. Damit würden in der Tieflohnbranche die Renten der Serviceangestellten steigen, sie wären auch bei Arbeitslosigkeit besser abgesichert. Trinkgeld sei rechtlich kein Geschenk von Gästen, sondern freiwillig bezahltes Geld für eine Serviceleistung.

Forderung stösst auf Widerstand

Damit schreckt Professor Geiser die ganze Gastrobranche auf. Viele Gastro-Unternehmer halten nichts von einer Versteuerung von Schwarzgeld. Alain Göpfert, Vizepräsident von Gastro Baselland und Wirt auf der Sissacher Fluh, sagt auf Anfrage, die Branche müsse wieder «Gas geben, damit wir nicht ein Dorfbeizensterben haben.» Man habe wichtigere Probleme als eine Praxisänderung beim Trinkgeld.

Marcel Siegwart, Geschäftsführer eines Restaurants in Frauenfeld, findet die Besteuerung von Trinkgeld ebenfalls eine schlechte Idee. Mit dem Trinkgeld sollten Arbeitgeber nichts zu tun haben, sagt er. Seine Service-Angestellte Sabrina Gall in Frauenfeld stimmt ihm zu. Sie möchte keine Abgaben auf ihr Trinkgeld bezahlen und dieses auch nicht versteuern müssen.

Grossunternehmer legt Trinkgeld offen

Positiver sieht es Gastro-Grossunternehmer Manuel Wiesner. Seine Restaurants haben komplett auf Kartenzahlung umgestellt. Trinkgeld bezahlt er wie Lohn aus. Die Abgaben kosteten ihn 0.4 Prozent mehr. Trinkgeld sei als Lohnbestandteil wichtig.

In den 30 Restaurants der Familienkette mit 900 Angestellten würden die Service-Angestellten mit Trinkgeld im Durchschnitt 30 Prozent zum Lohn dazuverdienen, einige gar über 60 Prozent. Es sei deshalb nur richtig, das Trinkgeld als Lohn zu berücksichtigen, damit der Arbeitgeber die entsprechenden Abgaben für seine Angestellten korrekt bezahle.

Behörden müssten illegale Praxis stoppen

Für den Arbeitsrechtler Thomas Geiser ist klar: Bei der «illegalen Praxis» wegzuschauen wie bisher sei keine Option. Die Behörden könnten jetzt nicht mehr länger so tun, als sei Trinkgeld vernachlässigbar, sonst würden sie sich unter Umständen sogar strafbar machen, sagt Geiser.

«Rundschau»

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Rundschau, 20.8.2025, 20:10 Uhr

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