Für die Finanzierung der AHV ist der Bundesrat auf der Suche nach neuen Einnahmequellen. Die Sozialversicherung braucht mehr Geld. Geprüft werden soll deshalb auch, ob auf digital bezahltem Trinkgeld in der Gastronomie AHV-Beiträge fällig werden, sofern sie einen «wesentlichen» Teil des Lohnes ausmachen. Die Idee, welche kürzlich der «Blick» publik machte, sorgt für Diskussionen – in der Branche und weit darüber hinaus.
Trinkgeld nach wie vor «essenziell»
Das Quartierrestaurant «Eichhörnchen» in Zürich hat viele Stammkunden, die Trinkgeld geben. Für Wirt Pascal Erb sind diese freiwilligen Zahlungen der Gäste nach wie vor essenziell: «Es ist eine unheimliche Motivation für alle, die beteiligt sind.» Sollten auf Trinkgeldern künftig AHV-Beiträge fällig werden, wäre dies für das kleine Restaurant eine Herausforderung.
«Wir haben Schwierigkeiten, Personal zu finden. Die geplanten AHV-Beiträge auf Trinkgeld sind nochmals ein Argument mehr, dass das noch schwieriger wird», sagt «Eichhörnchen»-Wirt Erb. Das Trinkgeld im Gastgewerbe sei nun mal ein Anreiz, um Personal zu finden.
Auch Philipp Zimmermann von der Gewerkschaft Unia kritisiert das bundesrätliche Vorhaben: «Es ist wichtig, dass Trinkgelder nicht Bestandteil vom Lohn sind. Ein ausreichender Lohn soll nicht davon abhängen, wie viel Trinkgeld jemand bekommt. Wenn man Trinkgeld als Lohnbestandteil ansähe, dann wäre schnell wieder der Druck da, die Löhne zu senken. Weil man sagt, die Leute haben ja noch das Trinkgeld obendrauf.» Das sei explizit ausgeschlossen im Gesamtarbeitsvertrag der Gastronomie, aus gutem Grund, so Zimmermann weiter.
Im Familienunternehmen Wiesner, das in der Deutschschweiz 28 Restaurants betreibt, sind Trinkgelder aber alles andere als ein Zustupf. «Unsere Erkenntnisse zeigen, dass etwa sieben bis acht Prozent vom Umsatz als Trinkgeld gegeben wird. Also von dem, was auf dem Rechnungsbetrag steht», sagt Co-Inhaber Manuel Wiesner.
Bei der Wiesner-Gruppe kann nur noch bargeldlos bezahlt werden. Und seit Anfang 2024 sind Trinkgelder AHV-pflichtiger Lohnbestandteil. Die Firma setzt die bundesrätlichen Pläne also bereits um.
Firmenchef Wiesner will damit die soziale Absicherung seiner Angestellten verbessern: «Wenn ein Mitarbeiter 4000 Franken Lohn verdient – dazu 1500 Franken Trinkgeld – und nachher nur für 4000 Franken Krankentagegeld erhält, weil nur soviel Lohn versichert ist, dann könnte er in finanzielle Sorgen kommen.» Das wolle man verhindern, so Wiesner und fügt an: «Bei uns ist der ganze Verdienst versichert. Dies berücksichtigt die Lebensumstände von den Mitarbeitenden.»
Bundesrat nimmt schriftlich Stellung zu Anfrage aus Nationalrat
In der Schweiz gelten Trinkgelder ab zehn Prozent des Lohnes als wesentlicher Lohnbestandteil und damit als abgabepflichtig. Konkret gesetzlich festgeschrieben ist die Grösse aber nicht. Der Bundesrat beantwortete am Montag schriftlich eine nationalrätliche Anfrage zum Thema AHV-Beiträge auf digitalen Trinkgeldern.
Er schreibt, dass das Departement des Innern prüfen solle, ob die Zunahme der bargeldlosen Zahlungen eine Änderung der gesetzlichen Regelung erfordert, damit auch elektronisch gezahlte Trinkgelder beitragspflichtig werden.
Diesen Herbst wird der Bundesrat entscheiden, ob und wie das Gesetz angepasst werden soll.