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IT-System ohne Zukunft? Berner Polizei-Software: Millionenprojekt ohne Perspektive

  • Die neue Software «Nevo/Rialto» sollte den Alltag der Berner Kantonspolizei erleichtern. Seit drei Jahren ist sie im Einsatz.
  • Bereits bei der Einführung gab es Probleme. Es folgten zahlreiche Mehrkosten.
  • Nun kommt aus: Die Software wird nicht mehr weiterentwickelt. Der Kanton Bern muss über die Bücher.

Ein innovatives Projekt, das es so in der Schweiz noch nicht gebe – so wurde seinerzeit die Polizeisoftware «Nevo/Rialto» angekündigt. Das Ziel der Software: Die Abläufe zwischen der Berner Kantonspolizei und der Staatsanwaltschaft digitalisieren und vereinheitlichen. Doch jetzt steht das Informatiksystem vor einer ungewissen Zukunft.

Analyse: Kanton schlägt mit Nevo/Rialto hart auf dem Boden auf

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Vor drei Jahren deckte SRF unter dem Titel «Berner Polizei stolpert über millionenteures IT-Projekt« erhebliche Mängel im IT-System Nevo/Rialto auf.

Das System sollte die Arbeit der Polizei digitalisieren – von Verkehrsunfällen über Drogendelikte bis hin zu Fällen häuslicher Gewalt. Doch von Beginn an lief die Software nicht reibungslos.

Innerhalb des Polizeikorps gab es Unmut, viele verstanden nicht, warum der Kanton Bern ein eigenes System entwickelte, anstatt eine bestehende, bewährte Lösung zu kaufen. Nevo/Rialto sollte ein Vorzeigeprojekt werden, droht nun aber, vorzeitig auf dem Friedhof gescheiterter IT-Projekte zu landen – mit einem Grabstein, der die Berner Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bis zu 35 Millionen Franken kosten könnte, wie die Finanzkontrolle warnt.

Der Ursprung des Projekts liegt zehn Jahre zurück, als die Kantonspolizei eine Nachfolgelösung für veraltete IT-Systeme suchte. Ziel war es, die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft zu digitalisieren und die Ära papierbasierter Kommunikation zu beenden. Ironischerweise wird heute immer noch gedruckt und verschickt – denn Nevo/Rialto ist bei der Staatsanwaltschaft noch lange nicht flächendeckend eingeführt.

Warnsignale gab es viele: von Polizistinnen und Polizisten, vom Kanton Basel-Stadt, der frühzeitig aus dem Projekt ausstieg, und von der Finanzkontrolle, die wiederholt auf die hohen Zusatzkosten und das Reputationsrisiko für den Kanton hinwies.

Der Titel «Berner Polizei stolpert über millionenteures IT-Projekt» stand am Anfang einer Reihe von Medienberichten. Heute scheint der Kanton nicht nur zu stolpern, sondern mit Nevo/Rialto hart auf dem Boden aufgeschlagen zu sein.

Eine Einschätzung von Christian Liechti

«Digitale Brücke» nicht mehr möglich

Mitte Juli haben die Systemlieferantinnen Swisscom und Deloitte dem Kanton angekündigt, dass der Technologieanbieter SAP die Grundlage von «Nevo/Rialto» voraussichtlich nicht mehr weiterentwickelt.

Hinweis der Redaktion

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In einer ersten Version stand, dass die Software Nevo/Rialto von Swisscom und Deloitte nicht mehr weiterentwickelt wird. Diese Information haben wir präzisiert. Nicht die Software selbst, sondern die technischen Grundlagen des Systems des Anbieters SAP werden nicht mehr weiterentwickelt.

Eine Software, in die nicht mehr investiert wird – steht diese faktisch vor dem Aus? Regierungsrat Philippe Müller verneint: «Sollte die Software tatsächlich nicht weiterentwickelt werden, ist es nicht das Ende des Projekts. Aber eine digitale Brücke zwischen Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft – so wie sie vorgesehen ist – ist dann nicht möglich.»

Ein Polizist und eine Polizistien stehen vor dem Zytglogge in Bern.
Legende: Die Software «Nevo/Rialto» sei unzuverlässig, langsam und fehleranfällig, hiess es bereits kurz nach der Einführung der Software. Keystone / Peter Schneider

Die Einführung von «Nevo/Rialto» vor drei Jahren brachte diverse Probleme mit sich. Doch: «Mittlerweile läuft das System zufriedenstellend, aber nicht ideal», sagt Müller. Die Berner Kantonspolizei erfasst mit der Software sämtliche Informationen digital – von Unfallprotokollen bis hin zu Zeugenberichten.

Dafür, dass die Software «nicht ideal» läuft, hat sie ihren Preis. Laut der bernischen Finanzkontrolle rechnete der Kanton ursprünglich mit 13.5 Millionen Franken. Danach war ein Zusatzkredit von 7.5 Millionen nötig. Und im November 2023 sprach das Parlament noch einmal 14 Millionen Franken für Software-Projekte bei der Kantonspolizei und der Staatsanwaltschaft.

Alternativen für «digitale Brücke» gesucht

Nun kündigt der Regierungsrat eine grundlegende Neubeurteilung des Projekts an. Man erwarte Vorschläge der Lieferantinnen zur künftigen Ausrichtung. Die Kantonspolizei prüfe derzeit Möglichkeiten, um die sogenannte «digitale Brücke» zur Staatsanwaltschaft doch noch realisieren zu können.

Ein Polizeiauto fährt vor.
Legende: Die Kantonspolizei Bern arbeitet in der Schweiz als einzige mit der Software «Nevo/Rialto». Keystone / Peter Schneider

Während die Polizei «Nevo/Rialto» aktiv nutzt, ist die Software bei der Staatsanwaltschaft bisher nur in Form eines Prototyps im Einsatz. Beide Organisationen befinden sich deshalb in unterschiedlichen Ausgangslagen – was auch unterschiedliche Lösungsansätze erfordern könnte. Annatina Schultz, Generalstaatsanwältin des Kantons Bern, sagt: «Wir müssen die Situation nun neu beurteilen.»

Bei der Polizei geht man davon aus, dass «Nevo/Rialto» noch bis 2030 oder 2033 im Einsatz ist.

Regionaljournal Bern, Freiburg, Wallis, 7.8.2025, 17:30 Uhr ; 

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