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Junge Juden beantworten Fragen «Was ist Sabbat? Und wie schmecken koschere Gummibärchen?»

Mit Schulbesuchen will der Verein Likrat Jugendlichen das Judentum näher bringen und über Antisemitismus aufklären.

«Alle, die schon einmal mit einem jüdischen Menschen gesprochen haben, stehen bitte auf», beginnt Ari Hechel das Seminar. Alle 30 Personen, angehende Lehrerinnen und Lehrer, erheben sich. Niemand bleibt sitzen. Das sei nicht immer so, sagt Hechel. In Schulklassen auf dem Land gebe es immer wieder Kinder, die noch nie mit Jüdinnen oder Juden in Kontakt gekommen seien.

Ari Hechel trägt ein blaues Hemd
Legende: Ari Hechel (22) ist schon seit sieben Jahren ein sogenannter «Likratino». So werden die jungen Erwachsenen des Vereins genannt. SRF/Elisabetta Antonelli

Genau deshalb gebe es das Projekt Likrat des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds. «Likrat» ist hebräisch und heisst so viel wie «aufeinander zugehen». Seit 20 Jahren organisiert der Verein Besuche in Schulklassen. Seit vier Jahren gibt es auch Workshops für Studierende und Erwachsene. Mit dem Ziel: Verständnis zu schaffen und Vorurteile abzubauen.

Antisemitismus aufdecken

Der 22-jährige Ari Hechel ist einer von drei jungen Erwachsenen, die sich an diesem Morgen über ihre Religion, das Judentum, ausfragen lassen. Schon über 50 Schulbesuche habe er miterlebt. Ihm bedeute diese Arbeit viel.

«Wir können tatsächlich etwas verändern», erzählt Hechel. In einer Klasse sei ihm berichtet worden, dass Jugendliche im Klassenchat Judenwitze erzählt hätten. «Nach meinem Besuch in der Klasse, haben sie gemerkt, was für ein Blödsinn das war.»

Mehr Fälle von Antisemitismus in der Schweiz

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Das Holocaust-Denkmal in Berlin
Legende: Keystone/AP Photo/Markus Schreiber

Die Zahl judenfeindlicher Vorfälle hat 2022 in der Schweiz nochmals leicht zugenommen, wie der Antisemitismus Bericht der Schweizerisch Israelitischen Gemeindebundes (SIG) zeigt.

863 Fälle ereigneten sich im Internet, 57 in der realen Welt. Fast zwei Drittel der Online-Fälle hatten mit Verschwörungstheorien zu tun. Laut dem Bericht hat sich im Netz eine verschwörungsaffine Subkultur entwickelt. Diese sei vor allem auf dem Messenger-Dienst Telegram aktiv. Dabei könnten verschiedenste Themen als Aufhänger dienen, auch der Krieg in der Ukraine.

Nicht alle, die an Verschwörungstheorien glauben, seien antisemitisch, sagte Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes im Februar. Aber in dieser Szene hätten judenfeindliche Mythen an Zulauf gewonnen. 


Auch das könne Likrat: Antisemitismus aufdecken. Deshalb engagiert sich auch Daniel Brody beim Verein. Er habe Antisemitismus in der Schule selbst erlebt. Weil er Jude sei, habe niemand mit ihm Basketball spielen wollen, erinnert er sich. «Deshalb will ich heute über Antisemitismus aufklären und in den Dialog treten.»

Ari Hechel, Daniel Brody und Orija Guggenheim
Legende: Ari Hechel, Daniel Brody und Orija Guggenheim beantworten alle Fragen rund um ihre Religion. Eineinhalb Stunden dauert der Workshop. SRF/Elisabetta Antonelli

Das klappt an diesem Morgen an der pädagogischen Hochschule Zürich reibungslos. Die angehenden Lehrerinnen und Lehrer stellen viele Fragen. Sie wollen zum Beispiel wissen, wie ein Sabbat abläuft, wie koscheres Essen schmeckt oder wie es für ihre Familien wäre, wenn sie sich in nicht-jüdische Personen verlieben würden.

Die drei jungen Jüdinnen und Juden geben offen Auskunft. «Es gibt keine dummen Fragen», sagt Orija Guggenheim, die Dritte im Bunde, die an diesem Morgen für Likrat im Einsatz ist.

Es gibt keine dummen Fragen
Autor: Orija Guggenheim Engagiert sich im Verein Likrat

Unangenehm sei es ihm, wenn der Holocaust thematisiert werde, sagt Daniel Brody. Seine Grossmutter war in Auschwitz. Für seine Familie sei das heute noch ein grosses Trauma, erzählt er.

Im Gegensatz zu Daniel Brody spricht sein Kollege, Ari Hechel, gerne über seine Familiengeschichte. Mit dabei hat er einen Gebetsmantel, den Tallit, der seinem Urgrossvater gehörte. «Er wurde im Zweiten Weltkrieg von Nazis verhaftet, nach Auschwitz deportiert und dann ermordet.»

Verschiedene Gegenstände, die mit dem Judentum zu tun haben, auf einem Tisch
Legende: Immer mit dabei sind auch Gegenstände oder Lebensmittel zum Anfassen oder Probieren. SRF/Elisabetta Antonelli

Den Gebetsmantel dürfen die Studierenden anfassen. Auch koschere Gummibärchen haben die jungen Männer und Frauen von Likrat mitgebracht. Sie sind aus Fischgelatine statt aus Schweinegelatine gemacht. Den jungen Studierenden schmecken sie aber trotzdem. Die eineinhalb Stunden gehen wie im Flug vorbei.

Die angehenden Lehrerinnen und Lehrer sind begeistert. Sie nehme viel mit von der Begegnung mit den jungen Menschen von Likrat. «Es war eine gute Möglichkeit, Fragen zu stellen, die man sonst vielleicht nie stellen kann», sagt Alda Schwager, die in Zukunft das Fach Religion, Kultur und Ethik unterrichten wird. Die Informationen aus der «Likrat-Lektion» kann man definitiv nicht in einem Schulbuch nachlesen.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen 18.4.2023, 17:30 Uhr ; 

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