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Kampf dem Coronavirus Mit der Methode «Versuch und Irrtum» gegen die neue Krankheit

Ein Medikament gegen das Coronavirus gibt es nicht. Und trotzdem kommen bereits verschiedene Medikamente zum Einsatz, auch in der Schweiz. Es ist eine Situation wie bei Aids vor 30 Jahren, als man erst nicht wusste, was nützt.

«Medikamente einzusetzen, ohne genau zu wissen, was sie bringen, das machen Mediziner normalerweise nicht. Aber das Coronavirus stellt alles auf den Kopf», sagt Urs Führer, der leitende Arzt für Infektiologie am Spitalzentrum Biel. «Es gibt Substanzen, die experimentell eingesetzt werden. Es ist aber nicht klar, ob sie einen Nutzen haben oder nicht.»

Weltweit wird mit ganz verschiedenen Medikamenten experimentiert. Die ersten Hinweise, was wirkt – und bereits auch die ersten Studien – kommen aus China.

Nun werden auch Versuche in Europa gemacht, unter anderem am Inselspital in Bern, wie Hansjakob Furrer, Chefarzt der Infektiologie bestätigt. «Wir versuchen, Resultate aus unserer Forschung zu übertragen. Bei dieser Infektion haben wir wenig Zeit, und das ist schon speziell.»

Medikament soll Vermehrung der Viren unterbinden

Ganz verschiedene Medikamente werden ausprobiert. In erster Linie sind es Stoffe, mit denen man versucht, die Vermehrung der Viren zu blockieren oder zu verhindern, dass sie in die Lungenzellen eindringen. Dazu gehört ein altes Malariamittel: Chloroquin. Chinesische Forscher sagen, dass es sich nach ersten Studien als wirksam erwiesen habe.

Ebenfalls zum Einsatz kommt ein altes HIV-Medikament, das hierzulande unter dem Namen Kaletra verkauft wird. Beides sind zugelassene Medikamente. Man kennt deshalb auch die Nebenwirkungen recht genau.

Ein weiteres Medikament ist Remdesivir, das eigentlich gegen Ebola entwickelt wurde. Es hat sich gegen diese Krankheit aber nicht bewährt. Doch im Labor hat sich gezeigt, dass es gegen ein verwandtes Virus wirkt, und nun wird es gegen Covid-19 eingesetzt. Es wird allerdings erst bei wirklich schweren Fällen verordnet, wie Führer vom Spitalzentrum Biel sagt. «Remdesivir kommt nur bei Patienten zum Einsatz, die bereits künstlich beatmet werden.»

Blutserum von Geheilten

Von Tag zu Tag verändert sich die Lage für die Mediziner. Soeben wurde in China eine Studie publiziert, die besagt, dass das alte HIV-Medikament fast gar nichts bringt, wenn man es erst spät einsetzt.

Am Universitätsspital Basel soll bald mit Blutserum von Menschen, die die Krankheit gut überstanden haben, gearbeitet werden. Es gibt Hinweise, dass solche Bluttransfusionen den Erkrankten helfen könnten, wie Manuel Battegay, Chefarzt für Infektiologie und Spitalhygiene am Universitätsspital Basel, sagt: «Wir sind daran, diese Seren herzustellen. Wir möchten in wenigen Wochen bereit sein.» Die Tests müssen allerdings erst noch bewilligt werden.

WHO will die Studien koordinieren

Normalerweise dauert die Entwicklung von neuen Medikamenten Jahre. Die Weltgesundheitsorganisation hat zu koordinierten Studien aufgerufen, um besser abschätzen zu können, was wirklich hilft.

Die Schweiz will sich daran beteiligen, aber die hiesigen Mediziner denken auch über nationale Studien nach. Allerdings werden viele Medikamente bereits knapp. «Das ist ein grosses Problem. Man kann nur hoffen, dass die Medikamente in verschiedenen Ländern produziert werden können», so Battegay.

Es gab in der Schweiz bereits einen Aufruf, dass alle HIV-Positiven ihre Kaletra-Medikamente abgeben und auf andere umstellen sollen. Denn jeder Platz auf einer Intensivstation, der dank eines Medikamentes schneller frei wird, ist wertvoll.

Rendez-vous vom 20.03.2020

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