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Kampf gegen die Pandemie Erfolgreiche Virenjagd im Zürcher Abwasser

Seit einem Jahr sucht die EAWAG in Kläranlägen nach Corona-Viren. Die Zahlen sind zuverlässig, bald folgt ein Ausbau.

Seit Februar 2020 untersuchen Forscherteams der eidgenössischen Wasserforschungs-Anstalt EAWAG und der ETH Lausanne in zwei Kläranlagen Abwasser auf Corona-Viren. Mit Erfolg. Aus den Ausscheidungen von etwa 700'000 Menschen können die Forscher zuverlässig Rückschlüsse über die Ausbreitung des Virus ziehen. Christoph Ort, Umweltingenieur bei der EAWAG in Dübendorf, ist überzeugt: Bald untersucht auch die Schweiz flächendeckend ihr Abwasser, so wie zum Beispiel Luxemburg oder die Niederlanden.

Christoph Ort

EAWAG Gruppenleiter Abteilung Siedlungswasserwirtschaft

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Christoph Ort, Jahrgang 1974, ist Umweltingenieur an der eidgenössischen Forschungsanstalt EAWAG. Seit seiner Dissertation befasst er sich mit den Spuren der Gesellschaft im Abwasser. Er engagiert sich ausserdem im Verband der Schweizer Abwasser- und Gewässerschutzfachleute. Aufgewachsen in Bertschikon lebt er mit seiner Familie seit 2016 in Gossau ZH.

SRF: Sie untersuchen seit einem Jahr Proben aus der Zürcher Kläranlage Werdhölzli. Warum eignet sich Abwasser so gut zur Virenforschung?

Christoph Ort: Das Abwasser ist wie eine grosse Urinprobe. Man kann effizient einen grossen Teil der Bevölkerung abdecken. Egal ob beim Zähneputzen oder aufs WC gehen: Das Resultat kommt bei uns an. Bei Umfragen oder Tests können die Leute gehemmt sein oder gar nicht erst mitmachen und so gibt es im Gegensatz zum Abwasser eine Dunkelziffer.

Das Abwasser ist wie eine grosse Urinprobe.
Autor: Christoph Ort Umweltingenieur EAWAG Dübendorf

Das Abwasser soll als eine Art Frühwarnsystem für künftige Corona-Wellen genutzt werden können. Dazu braucht es einen Ausbau der Tests auf mehrere Kläranlagen. Nun haben wir gehört, Sie stünden vor einem Vertragsabschluss mit dem Bund?

Es ist wie Sie sagen. Wir sind mit dem BAG in Diskussion. Wenn man sieht, was in den Ländern um uns herum passiert, ist es jetzt eine Frage der Zeit, bis das ausgeweitet wird. Nicht nur für Sars-Cov-2, sondern auch für weitere Viren in der Zukunft, die aufkommen können. Als Forschungsinstitut können wir unser Wissen zur Verfügung stellen. Aber für die grosse Umsetzung braucht es Hilfe und Mittel von aussen.

Unterdessen können Sie nicht nur die Ur-Variante des Virus im Abwasser nachweisen, sondern auch die «britische» Mutation, die offenbar ansteckender ist. Was bedeutet das im Umgang mit der Pandemie?

Wir stehen hier erst am Anfang. Wir können noch nicht auszählen, wie viele es von dieser Variante gibt, sondern sagen, es hat oder es hat nicht. Aber bereits das ist ein grosser Erfolg. Ob man daraus schon lokale Massnahmen ableiten könnte, weiss ich nicht. Aber im Vergleich mit der Erhebung von einzelnen Patienten kann es sicher einen Beitrag leisten fürs Verständnis, wo und wie schnell sich die Situation entwickelt.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wo könnten wir bezüglich Pandemie stehen in einem Jahr? Oder anders gefragt: Womit wären Sie zufrieden?

Ich glaube, wenn wir das Abwasser systematisch nützen können und nachweisen, dass die Lage auf einem ganz ganz tiefen Niveau stabil ist, dann können wir uns wieder freier bewegen. Das ist natürlich ein Wunsch für alle.

Und darüber hinaus?

Wir haben jetzt eine kollektive Erfahrung gemacht (mit der Pandemie). Das ist jetzt in allen Köpfen. Wir wissen nun, was die Konsequenzen sind und dass wir alles daran setzen und alle Mittel nutzen sollten, um möglichst früh Hinweise zu erhalten, ob etwas auf uns zukommt oder nicht.

Das Gespräch führte Fanny Kerstein.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 21.01.21, 17:30 Uhr ; 

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