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Marianne Lienhard: Die Kantone in der Flüchtlingskrise
Aus Tagesgespräch vom 04.11.2022. Bild: KEYSTONE/Anthony Anex
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Kantone in Flüchtlingskrise «Akzeptanz für die Flüchtlinge ist gross, weil wir es gut machen»

Die Bundesasylzentren sind voll, die Kantone müssen einspringen. Trotz Kritik funktioniert die Zusammenarbeit, zieht die SODK-Vizepräsidentin Bilanz.

Es herrscht eine Flüchtlingskrise wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. In der Schweiz treffen viele Asylsuchende ein – nicht nur aus der Ukraine. Die Bundesasylzentren sind voll, die Kantone müssen einspringen. Trotz Kritik sind Kantone und Bund dennoch zufrieden mit der Zusammenarbeit. Auch die Akzeptanz und Solidarität in der Bevölkerung sei gross.

Wir haben eine Verdoppelung an Personen, die wir betreuen müssen seit Anfang Jahr.
Autor: Marianne Lienhard Vizepräsidentin der SODK

Am meisten Kritik muss der Bund einstecken, und zwar für den Entscheid, vorzeitig Asylsuchende in die Kantone zu schicken: «Wir haben eine Verdoppelung an Personen, die wir betreuen müssen seit Anfang Jahr. Und wenn dann der Bund kommt und sagt, ihr müsst noch mehr von unserem Teil übernehmen, wirft das doch einige Fragen auf.» So fasst Marianne Lienhard die Stimmung zusammen. Sie ist Vizepräsidentin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK) und Glarner SVP-Regierungsrätin.

Unterkünfte für Asylsuchende gesucht

Lienhard fordert vom Bund, dass er die Plätze in den Bundesasylzentren noch weiter erhöht, wie sie im Gespräch mit SRF erklärt.

Christine Schraner Burgener, Direktorin des Staatssekretariats für Migration (SEM), verweist auf Armeeunterkünfte, die nun umgenutzt werden: «Wir haben dank eines Notfallplans schon 9000 statt 5000 Plätze. Die Armee stellt Mehrzweckhallen und auch Kasernen zur Verfügung.»

Umwandlung von Ferienheim und Messezentrum

Bereits im Frühling hatte der Kanton Glarus mit Aufrufen nach geeigneten Unterkünften gesucht – zum Beispiel Ferienheime. Die Angebote treffen laut Marianne Lienhard sehr zahlreich ein. In ländlichen Kantonen sei die Unterbringung einfacher. Der Kanton Genf etwa musste dagegen auf dem ehemaligen Areal des Autosalons beim Messezentrum Palexpo eine Massenunterkunft errichten. Diese könnte bis zu 700 Asylsuchende beherbergen.

Schweizer Verfahren für Europa

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Legende: Christine Schraner Burgener sieht die Schweiz als Vorbild für Europa. KEYSTONE/Michael Buholzer

Die Flüchtlingskrise braucht eine Lösung für ganz Europa, davon ist die Direktorin des Staatssekretariats für Migration, Christine Schraner Burgener, überzeugt. Das wichtigste seien starke Schengen-Aussengrenzen. An diesen Grenzen müsse es möglich sein, ein Asylgesuch zu stellen. Heute ist dies nicht überall der Fall. Zudem brauche es schnelle Verfahren, die den Menschenrechtsschutz achten. «Das Ziel sind schnelle, faire Verfahren. Wer einen negativen Entscheid hat, wird zurückgeschafft und nicht im Ungewissen gelassen», so Schraner Burgener.

Als Vorbild sieht sie das Schweizer System: «Wir hätten so das Copy-Paste-Asylverfahren, wie wir es in der Schweiz haben.» Die Schweiz versuche deshalb, die Reformbemühungen in der EU zu unterstützen. Die Positionen innerhalb Europas gingen weit auseinander. Staaten wie Italien oder Griechenland, die am Meer liegen und viele Flüchtlinge aufnehmen, wollten vor allem mehr Solidarität. Staaten im Osten wollten gar keine Flüchtlinge aufnehmen. Trotzdem ist Schraner Burgener überzeugt, dass die Schweiz zu einer einheitlichen Lösung beitragen kann: «Beim Innen- und Justizministertreffen gibt es viele Gespräche im Hintergrund, die nützlich sind.»

Medizinische Betreuung benötigt

Auch die Betreuung sei eine grosse Herausforderung für die Kantone, sagt Lienhard: Beispielsweise fehlten Ärztinnen und Ärzte, um die Flüchtlinge zu behandeln. Der Kanton Glarus bittet nun pensioniertes Fachpersonal um Hilfe für die Behandlung von Flüchtlingen und Asylsuchenden.

Vor allem auch die Betreuung von abgewiesenen Asylsuchenden sei sehr anspruchsvoll, da diese Personen psychisch unter grossem Druck stünden. Viele Kantone würden an ihre Grenzen kommen, die Betreuung sei aber weiterhin gewährleistet, auch mithilfe von Zivildienstleistenden.

Positive Bilanz

Bund und Kantone ziehen bis jetzt eine positive Bilanz: «Das Asylsystem funktioniert. Wir haben seit 2015 viel gelernt», sagt Lienhard. «Wir haben auch punkto Akzeptanz in der Bevölkerung Fortschritte gemacht. Dies, weil es der Bund gut macht und weil es die Kantone gut machen. Wir sind leistungsfähig, um diese Krise gemeinsam zu meistern.»

Da wir Ghettos verhindern, die Asylsuchenden in alle Kantone verteilen und Integrationsprogramme anbieten, habe ich keine Angst.
Autor: Christine Schraner Burgener Direktorin des Staatssekretariats für Migration SEM,

Auch Christine Schraner Burgener vom SEM befürchtet nicht, dass es zu Angriffen auf Asylsuchende kommt wie beispielsweise in Deutschland: «Da wir Ghettos verhindern, die Asylsuchenden in alle Kantone verteilen und Integrationsprogramme anbieten, habe ich keine Angst.»

Tagesgespräch, 04.11.2022, 12:30 Uhr

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