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«Keine 10-Millionen-Schweiz» Herr Dettling, wollen Sie den Wohlstand der Schweiz schrumpfen?

Die Zuwanderung ist das Kernthema der SVP. Ihre neuste Volksinitiative schlägt nun vor, bei zehn Millionen den Riegel zu schieben. Parteipräsident Marcel Dettling nimmt Stellung zu dem Vorhaben, das im Nationalrat auf breiten Widerstand stösst.

Marcel Dettling

Präsident der SVP Schweiz

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Bei den Parlamentswahlen 2015 wurde der Landwirt aus dem Kanton Schwyz in den Nationalrat gewählt. Seit dem Frühjahr 2024 ist er Präsident der SVP Schweiz.

SRF News: Herr Dettling, wollen Sie den Wohlstand der Schweiz schrumpfen?

Marcel Dettling: Der Wohlstand schrumpft aktuell, das sah man in den letzten zwei Jahren. Jeder in der Schweiz hat weniger. Das zeigen die neusten Zahlen und Wirtschaftserhebungen. Wir wachsen zwar viel stärker, aber pro Kopf hat jeder weniger Ende Jahr. Das kann so nicht weitergehen. Darum haben wir die Initiative eingereicht.

Das leichte Schrumpfen stimmt für die letzten zwei Jahre. Aber sonst ist auch das Pro-Kopf-BIP dauernd gewachsen. Darum sagen Ihre Gegner: Mit der Initiative, die in letzter Konsequenz die Kündigung der Personenfreizügigkeit fordert, gefährdet man den Wohlstand.

Seit 2007, also seit wir die volle Personenfreizügigkeit haben, wächst das BIP viel schwächer als in den Jahren vorher. Seit der Personenfreizügigkeit mit der EU haben wir weniger Wirtschaftsleistung pro Kopf in der Schweiz. Das merkt jeder Einzelne: Wir stehen länger im Stau, wir haben höhere Mietkosten, und so weiter. Es sind ganz viele Lebensbereiche betroffen.

Das fordert die Volksinitiative «Keine 10-Millionen-Schweiz»

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Darum geht es: Die Volksinitiative der SVP, auch bekannt unter dem Namen «Nachhaltigkeitsinitiative», will, dass die Wohnbevölkerung der Schweiz bis 2050 auf unter zehn Millionen begrenzt wird. Damit möchte die Partei eine nachhaltige Entwicklung der Schweiz gewährleisten.

Das ist umstritten: Der Bundesrat und die staatspolitische Kommission des Nationalrats anerkennen zwar, dass die Zuwanderung für die Schweiz eine Herausforderung ist. Doch die Initiative gefährde den bilateralen Weg mit der EU und damit auch den privilegierten Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Arbeitsplätze und Wohlstand stünden damit auf dem Spiel. Es bestünde zudem die Gefahr, dass die Schweiz nicht weiter am Schengen- und Dublin-System teilnehmen könnte. Dies dürfte zu mehr irregulärer Migration und einer höheren Zahl von Asylsuchenden in der Schweiz führen.

Der Mechanismus der Initiative: Der Initiativtext besagt, dass Bundesrat und Parlament Massnahmen ergreifen müssten, wenn die Neuneinhalb-Millionen-Grenze vor 2050 überschritten wird. Wenn der Grenzwert nach Ablauf von zwei Jahren seit seiner erstmaligen Überschreitung nicht wieder eingehalten werden kann, müsste die Schweiz Freizügigkeitsabkommen mit der EU kündigen.

Das ist der aktuelle Stand: Der Bundesrat lehnt die Initiative ohne Gegenvorschlag ab. Er plant aber diverse Begleitmassnahmen. Beispielsweise prüft der Bundesrat, ob Menschen ohne Chance auf Asyl vom Asylverfahren ausgeschlossen werden können. Oder die Behörden sollen gezielter untersuchen, ob vorläufig aufgenommene Menschen nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Noch muss das Parlament aushandeln, ob es der Initiative einen Gegenvorschlag entgegenstellen wird.

Mit unserer Initiative können immer noch bis zu 40'000 Leute jährlich in die Schweiz – eine horrend hohe Zahl. Erst wenn im Jahr 2050 die Zahl von zehn Millionen überschritten wäre, müsste die Personenfreizügigkeit gekündigt werden. Das würde also nur im äussersten Notfall geschehen, wenn es kein Verhandlungsresultat gibt.

Nach dem mittleren Bevölkerungsszenario wäre das allerdings schon anfangs der 2040er-Jahre der Fall. Und bis jetzt war es immer so: Die Wirtschaft bekam die Arbeitskräfte, die sie brauchte, Kontingente hin oder her. Wie soll das mit einer starren Obergrenze funktionieren?

Die Zahlen des Bundes können wir nicht ernst nehmen. Bei der Einführung der Personenfreizügigkeit sagte der damals zuständige Bundesrat, es würden maximal 8000 bis 10'000 Leute pro Jahr kommen. Heute sind es zwischen 80'000 und 100'000.

Braucht es irgendwann zwanzig, dreissig Millionen Menschen? Das kann kein Ziel sein für unser kleines, wunderschönes Land.

Unsere Gesellschaft wird immer älter. Laut Angaben der Wirtschaft könnten schon in zehn Jahren 400'000 Arbeitskräfte fehlen. Wenn die Zuwanderung nicht mehr helfen kann, wer schuftet dann auf unseren Baustellen, wer pflegt uns, wer kuriert uns als Ärztinnen und Ärzte?

Wir haben immer mehr Ärzte und Pfleger ins Land geholt – trotzdem wir haben einen extrem hohen Fachkräftemangel. So kann es nicht weitergehen. Das ist kurzfristiges Denken der Gegner: Sie sagen jetzt, dass uns diese Leute helfen. Sie vergessen aber, dass sie auch einmal alt werden. Braucht es irgendwann zwanzig, dreissig Millionen Menschen? Das kann kein Ziel sein für unser kleines, wunderschönes Land.

Mit einem Kontingentssystem würde ein neues Bürokratiemonster entstehen.

Das ist alles schon bereit. Wir haben es ja heute schon mit der Drittstaatenregelung. Für Topausgebildete aus Amerika, Singapur oder woher auch immer gibt es bereits ein Kontingent.

Es sind zu viele, und es kommen die falschen.

Das Volk hat schon 2014 entschieden, dass wir die Zuwanderung selbst mittels Höchstzahlen und Kontingenten steuern. Diesen Volksentscheid gilt es endlich umzusetzen. 

Wo waren Sie letztmals persönlich froh um die Arbeit eines Ausländers oder einer Ausländerin?

Ich habe vor allem Freude, wenn sie hierherkommen und arbeiten. Aber wir stellen einfach fest: Es sind zu viele, und es kommen die falschen.

Das Gespräch führte Nathalie Christen.

10vor10, 22.09.2025, 21:50 Uhr ; 

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