2016 blieb eine Frau schwer verletzt liegen als sie von einer Bahntüre eingeklemmt und danach mitgeschleift wurde. Der Vorfall ereignete sich auf der Linie S10 der Sihltal Zürich Uetliberg Bahn an der Haltestelle Zürich Schweighof.
Die Untersuchungsstelle Sust, die den Unfall damals untersuchte, stellte den «gefährlichen Umstand» fest, dass sich eine Person einklemmen konnte, ohne dass dies detektiert wurde und ohne dass der Lokführer dies mit der sogenannten Kontrolllampe angezeigt bekam.
Nach dem Unfall am Schweighof sprach die Sust eine Sicherheitsempfehlung an die Adresse des Bundesamtes für Verkehr aus. Es sollte prüfen, «ob bei anderen Fahrzeugtypen ein ähnliches Sicherheitsdefizit vorliegt» und «die geeigneten Massnahmen für deren Behebung ergreifen».
Keine Abklärungen bei den SBB
Wie die «Rundschau» heute berichtet, hat das BAV aber damals keine dokumentierten Abklärungen bei anderen Bahnunternehmen getätigt.
Die «Rundschau» bekam gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz Einblick in den Schriftenwechsel. In der Antwort an die Sust schreibt das BAV: «Aus Sicht des BAV liegt bei anderen Fahrzeugen kein vergleichbares Sicherheitsdefizit vor. Massnahmen zu dessen Behebung sind somit obsolet. Die Sicherheitsempfehlung Nr. 121 ist umgesetzt.» Ein Schriftenwechsel mit den SBB existiert laut BAV nicht.
Die Sust bestätigt nun gegenüber der «Rundschau», dass der Fall Schweighof in der aktuellen Untersuchung Baden eine Rolle spielen wird. Die Behörde habe beim Unfall Schweighof gesehen, dass Mängel am Fahrzeugtyp vorhanden waren. «Und die Empfehlung war, dass man ähnliche Defizite überprüft. Und jetzt hat man so einen ähnlichen Fall», so Christoph Kupper, Bereichsleiter Bahn bei der Sust.
Die Möglichkeit hätte bestanden, dass man das herausgefunden hätte.
Man werde im Rahmen der laufenden Untersuchung betreffend den Unfall auch «die Frage der Umsetzung der Sicherheitsempfehlungen von Schweighof» aufnehmen.
Hätte man damals eine Prüfung aller Wagentypen durchgeführt, wäre durchaus die Chance bestanden, dass das Problem beim aktuellen Unfallwagen der SBB entdeckt worden wäre: «Die Möglichkeit hätte bestanden, dass man das herausgefunden hätte.»
BAV: «Nicht vergleichbar»
Das Bundesamt für Verkehr rechtfertigt sich im Nachhinein sinngemäss damit, es habe nur typähnliche Fahrzeuge der Unfallwagen der Sihltal Zürich Uetlibergbahn SZU in Betracht gezogen. Und solche seien bei keinem anderen Unternehmen im Einsatz gewesen. Ein Sprecher verweist auf die Besonderheit der breiten Gummiprofile der betroffenen SZU-Wagentüren.
Wegen dieser «Gummilippen» bestehe das Risiko, dass jemand eingeklemmt werden könne: «Die Türen anderer Bahnen sind nicht mit denjenigen der SZU vergleichbar. Auch die Türen der EW-IV-Wagen sind anders gebaut und weisen keine breiten Gummilippen auf.»
Die Sust hält dagegen fest, dass sie die Empfehlung «nicht auf einen Fahrzeugtyp beschränkt» habe, sondern: «Ob ähnliche Defizite auch bei anderen Fahrzeugtypen und Bahnunternehmungen vorhanden sein könnten.»
«Das darf nicht sein!»
Verkehrspolitiker, die die Unterlagen ebenfalls studieren konnten, sind erstaunt und fordern Massnahmen. Philipp Hadorn (SP/SO) sagt, es gehe nicht, dass klare Empfehlungen der Sust nicht umgesetzt würden: «Und wenn damals Massnahmen umgesetzt worden wären, wäre das schlicht nicht passiert. Das darf nicht sein!»
Thierry Burkart (FDP/AG) stellt die Frage, «ob das BAV seine Aufsichtspflichten genügend wahrgenommen» habe. «Diese Frage wird es wahrscheinlich noch beantworten müssen gegenüber dem Parlament.»
Wir müssen bei der GPK das Problem anschauen.
Und Michael Töngi (Grüne/LU) will den Vorfall nun zum Anlass einer Untersuchung in der Geschäftsprüfungskommission GPK nehmen: «Wir müssen bei der GPK das Problem anschauen und die Stellen einladen und je nachdem muss das BAV in dem Bereich nachbessern.»